Hartmann von Aue :: Критика
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Aus stilistischen Gründen lässt sich eine innere Chronologie der Werke erschließen, derzufolge das Klagebüchlein am Anfang steht. Erec ist der erste Versroman Hartmanns, gefolgt vom Gregorius, dem Armen Heinrich und Iwein. Obwohl diese Reihenfolge fast ausschließlich auf Sprachuntersuchungen basiert, ist sie in der Forschung weitgehend anerkannt. Möglich wäre allerdings auch die Entstehung des Armen Heinrich nach oder parallel zum Iwein. Der Beginn des Iwein (etwa 1000 Verse) könnte in zeitlicher Nähe zum Erec entstanden und der Roman erst später vollendet worden sein. Die Stellung der Klage als erstes Werk ist nicht ganz deutlich, doch der Autor bezeichnet sich darin selbst als jungelinc (V. 7).
Eine Reihenfolge der Lieder muss hypothetisch bleiben. Unklar ist schon, ob die erhaltenen Lieder annähernd das vollständige lyrische Œuvre Hartmanns überliefern. Auch über die Aufführungspraxis wissen wir wenig. Sollten sie im Ganzen eine Geschichte erzählen, ließe sich eine Dramaturgie erschließen, die dann auch auf Selbsterlebtes zurückgreifen könnte. Doch ein solcher Zyklus bleibt Spekulation und gilt als eher unwahrscheinlich, so dass nur die Kreuzlieder an historische Ereignisse angebunden werden können – aber selbst das bleibt umstritten.
In der früheren Forschung wurde eine Persönlichkeitsentwicklung Hartmanns angenommen und daraus eine frühe Schaffensphase mit den weltlichen arthurischen Epen Erec und Iwein abgeleitet, auf die dann, nach einer persönlichen Krise, die religiös gefärbten Erzählungen Gregorius und Armer Heinrich gefolgt seien. Diese Sicht stützte sich einerseits auf den Gegensatz zwischen den weltlichen Minneliedern und den Kreuzzugsliedern und andererseits auf den Prolog des Gregorius. Hier erteilt der Autor den eitlen Worten seiner Jugend eine Absage, mit denen er in der Vergangenheit den Beifall der Welt gesucht hätte, nun aber wolle er mit einer religiösen Erzählung diese Sündenlast mildern. Eine solche autorpsychologische Interpretation wird heute aber wegen des topischen Charakters der Prologaussagen für Hartmann wie für die meisten mittelalterlichen Autoren weitgehend abgelehnt.
Insgesamt sind 18 Töne (zu denen jeweils eine eigene, nicht überlieferte Melodie gehörte) mit zusammen 60 Strophen unter Hartmanns Namen überliefert.
Thematisch stehen die Minnelieder dem didaktischen Text des Klagebüchleins nahe. Hier wie dort werden die subjektiv-erotischen und die gesellschaftlich-ethischen Aspekte der Geschlechterliebe im Sinne der höfischen Minne diskutiert. Die drei Kreuzlieder füllen thematisch eine Subgattung der Minnelyrik, die in den Jahrzehnten um 1200 eine große Bedeutung besaß und die Verpflichtung des Ritters zum Dienst an Gott gegen seine Verpflichtung zum Minnedienst abwägt. Formal unterscheiden sie sich nicht von Minneliedern.
Charakteristisch für Hartmann ist ein ernster, nüchterner und rationaler Stil, der sich argumentierend im höfischen Minnediskurs bzw. in der Auseinandersetzung mit der Kreuzzugsthematik bewegt. In der deutschsprachigen Kreuzzugslyrik nehmen die Lieder Hartmanns eine Sonderstellung ein. Kein anderer volkssprachiger Dichter, ausgenommen Walther von der Vogelweide mit seiner Elegie, greift mit solchem Ernst ethische Grundfragen auf.
Im Urteil der Literaturhistoriker, die Hartmann als Lyriker lange Zeit keinen besonderen Rang eingeräumt hatten, werden die Minnelieder etwa seit den 1960er Jahren zunehmend positiv bewertet. Lediglich den Kreuzliedern war schon immer ein hoher literarischer Wert zuerkannt worden.
Das größte interpretatorische Problem höfischer Lyrik ist ihr biografischer Gehalt. In der älteren Forschung wurde das Werk Hartmanns autorpsychologisch gedeutet, eine reale unerfüllte Minnebeziehung angenommen und eine Kreuzzugsteilnahme als Abschluss einer persönlichen Entwicklung betrachtet. Seine Kreuzzugsdichtung wurde demzufolge als Absage an die irdische zugunsten der Gottesminne verstanden. Als Auslöser für eine persönliche Sinnkrise wurde der zweifach erwähnte Tod seines Gönners angesehen. Die Minneklage wird heute allgemein als topisch angesehen, ob Hartmann tatsächlich an einem Kreuzzug teilgenommen hat, muss hypothetisch bleiben.
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