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Johann Gottfried Herder :: Біографія
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Критика
Johann Gottfried von Herder, geadelt 1802 (* 25. August 1744 in Mohrungen, Ostpreußen; † 18. Dezember 1803 in Weimar) war ein deutscher Dichter, Übersetzer, Theologe und Geschichts- und Kultur-Philosoph der Weimarer Klassik. Er war einer der einflussreichsten Schriftsteller und Denker Deutschlands und zählt mit Christoph Martin Wieland, Johann Wolfgang Goethe und Friedrich Schiller zum klassischen „Viergestirn“ von Weimar.
Herder wurde als Sohn des Kantors und Schullehrers Gottfried Herder (* 9. Mai 1706; † 26. September 1763) und dessen zweiter Ehefrau Anna Elisabeth, geb. Peltz (* 1717; † 3. Oktober 1772) geboren. Durch seine pietistischen Eltern wurde er religiös geprägt; er sollte Theologie studieren. Als der jüngere Bruder Carl Friedrich starb, war dies Herders erste Berührung mit dem Tod; es entstand sein erstes Gedicht „Auf meinen ersten Todten! das Liebste, was ich auf dieser Welt verloren“.
Die Verhältnisse seiner Eltern waren bescheiden, aber nicht so dürftig, dass auf eine gute Erziehung der Kinder hätte verzichtet werden müssen. Herder besuchte in seiner Heimatstadt Mohrungen, einer Stadt mit damals kaum 2000 Einwohnern in der damaligen Provinz Preußen (dem späteren Ostpreußen), die Stadtschule. Besonders beeinflusste ihn der Diakon S. F. Trescho, gleichfalls Pietist. Dieser „benutzte“ ihn als Faktotum, immerhin jedoch durfte Herder dessen Bibliothek frei benutzen. Auf Initiative des russischen Regimentschirurgen J. C. Schwarz-Erla verließ Herder im Sommer 1762 Mohrungen und ging nach Königsberg, um Chirurg zu werden. Weder seine Geburtsstadt noch seine Eltern sollte er jemals wiedersehen.
In Königsberg erkannte Herder bald, dass er für den Beruf als Chirurg ungeeignet war, und schrieb sich als Student der Theologie an der Universität Königsberg ein. Er gewann in dem Buchhändler Johann Jakob Kanter einen Gönner, der von seinem anonymen Werk „Gesang an Cyrus“ beeindruckt war (Herder hatte es heimlich dem Zaren Peter III. gesandt). Kanter besorgte ihm eine Stellung als Hilfslehrer an der Elementarschule des Collegium Fridericianum, und so konnte Herder sich auf einigermaßen gesicherter Basis vor allem seiner Fortbildung widmen.
Einflussreich war von den Universitätslehrern nur Immanuel Kant, außerhalb der Universitätskreise aber besonders Johann Georg Hamann und die Schriften Jean-Jacques Rousseaus. Herder schloss sich einem gelehrten Kreis an, zu dem Theodor Gottlieb von Hippel, Hamann, Johann George Scheffner und Kant zählten. Herder, der 1762–64 bei Kant Vorlesungen über Astronomie, Logik, Metaphysik, Moralphilosophie, Mathematik und Physiogeografie gehört hatte, schrieb später darüber: „Mit dankbarer Freude erinnere ich mich aus meinen Jugendjahren der Bekanntschaft und des Unterrichts eines Philosophen, der mir ein wahrer Lehrer der Humanität war (…) Seine Philosophie weckte das eigne Denken auf, und ich kann mir beinahe nichts Erleseneres und Wirksameres hierzu vorstellen, als sein Vortrag war.“ Bedeutung erlangte die Kritik Hamanns und Herders an Kant, die rügten, Kant habe die Sprache als originäre Erkenntnisquelle vernachlässigt. Herder wies zudem darauf hin, dass der Mensch bereits im Zuge der Wahrnehmung „metaschematisiert“, womit er bereits Einsichten der Gestaltpsychologie vorwegnahm.
Herder schrieb zunächst Gedichte und Rezensionen für Kanters „Königsbergische Zeitung“. 1763 erhielt Herder auf sein Gesuch das „Hochgräflich-Dohnasche“-Stipendium und beteiligte sich an der Preisaufgabe der Schweizerischen Patriotischen Gesellschaft „Wie können die Wahrheiten der Philosophie zum Besten des Volkes allgemeiner und nützlicher werden?“. In seiner Philosophie wird die Arbeit – wie auch von Immanuel Kant oder später z. B. von Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Johann Gottlieb Fichte – zur Existenzbedingung und sittlichen Pflicht erklärt.
Dass Herder im Herbst 1764 als Aushilfslehrer an die Domschule nach Riga berufen wurde, kam ihm wegen des drohenden Militärdienstes gelegen. Kurz vor seiner Abreise ereignete sich in Königsberg ein verheerender Brand, der Herder zu dem Gedicht „Ueber die Asche Königsberg. Ein Trauergesang“ inspirierte. In Riga war er von Ende 1764 bis Mai 1769 Aushilfslehrer; später wurde er auch als Pfarradjunkt an zwei vorstädtischen Kirchen (Jesus- und Gertrudenkirche) angestellt, so dass er in der alten Hauptstadt Livlands (die sich damals noch fast republikanischer Selbständigkeit erfreute) einen wichtigen Wirkungskreis fand und bei der Verwaltung und der „Ritterschaft“ angesehen war. Die Kreise des städtischen Patriziats erschlossen sich Herder, der sich eines bis dahin ungekannten Lebensgenusses erfreute. Vor allem durch das Haus des Ratsherrn Johann Christoph Berens und dessen Brüder Gustav, Karl und Georg, an das er durch Hamann empfohlen war, hatte er gute Freunde in den bürgerlichen Kaufmannskreisen erworben. Im ‚Rigaer Blatt‘ erschien 1764 seine erste umfangreichere Studie „Ueber den Fleiß in mehreren gelehrten Sprachen“, die bereits die für ihn typischen Vokabeln „Nationalcharakter“ und „Genie“ enthielten.
In Riga wurde er im Juni 1766 in der Loge „Zum Schwert“ in den Freimaurerbund aufgenommen. Nicht nur Herders „Älteste Urkunde des Menschengeschlechts“ zeigt Nachwirkungen hierauf. In seinem Logenbruder, dem Schriftsteller Rektor Johann Gotthelf Lindner, fand er für seinen zukünftigen Lebensweg eine Schlüsselfigur.
Herder schrieb nun erste größere Veröffentlichungen, die sein Freund Johann Friedrich Hartknoch verlegte: es entstanden die „Fragmente über die neuere deutsche Literatur“ (1766–67), „Über Thomas Abbts Schriften“ (1768) und „Kritische Wälder, oder Betrachtungen die Wissenschaft und Kunst des Schönen betreffend“ (1769, anonym). Er wandte sich hier der Sprachphilosophie zu. Herder postulierte, dass die literarischen Erzeugnisse aller Nationen durch den besonderen Genius der Volksart und Sprache bedingt seien. Er baute seine gesamte Sprachphilosophie auf dem Satz Hamanns auf, wonach „die Poesie die Muttersprache des menschlichen Geschlechts“ sei. Er stand in dieser Zeit z. B. im Briefkontakt zu Johann Wilhelm Ludwig Gleim und Friedrich Nicolai. Auf Nicolais Aufforderung hin wurde er Mitarbeiter an der „Allgemeinen Deutschen Bibliothek (ADB)“, für die er bis 1773 etwa 40 Rezensionen schrieb. Literarisch geriet Herder schließlich in Nicolais Kritik, der später die Literatur des Sturm und Dranges, die Klassik und die aufkommende Romantik attackierte. Herder kritisierte leidenschaftlich einerseits die orthodoxe Einstellung der damaligen Theologie und andererseits die abwehrende Haltung gegen seine reformerischen Schulpläne. Er polemisierte unter anderem gegen das andauernde Übergewicht der Lateiner im deutschsprachigen Raum. Von Christian Adolph Klotz, einem Professor in Halle, und dessen Anhängern wurde er angefeindet, was ihm die Zeit in Riga verleidete. Einem Ruf an eine Petersburger Schule im Jahre 1767 folgte er nicht. Die folgenden Proteste veranlassten Herder dazu, im Frühling 1769 seine Entlassung aus den Ämtern in Riga zu erbitten, um in Mitteleuropa zu wirken.
Mit Hilfe einiger Freunde, namentlich seines Rigaer Verlegers J. F. Hartknoch, der ein Freimaurer und Vertrauter Hamanns, Kants und Kanters war, trat er 1769 eine Reise an, die ihn zunächst mit seinem Freund Gustav Berens nach Nantes führte. Unterwegs entstand das Journal meiner Reise im Jahr 1769 (erst 1846 veröffentlicht). Von Nantes brach er nach Paris auf. Hier pflegte er mit den Enzyklopädisten einen regen Gedankenaustausch und trat in Bekanntschaft mit d’Alembert.
Da er keine mehrjährigen Reisen auf Kosten der Freunde durchführen wollte, kam der Antrag des fürstbischöflich lübischen Hofs zu Eutin, den Erbprinzen von Holstein-Gottorp Peter Friedrich Wilhelm (1754–1823) als Reiseprediger zu begleiten, sehr willkommen. Im Dezember 1769 reiste er über Brüssel, Antwerpen, Amsterdam und Hamburg nach Eutin, wo er Anfang 1770 eintraf. In Hamburg hatte er Gotthold Ephraim Lessing, Johann Joachim Christoph Bode, Johann Bernhard Basedow, Hauptpastor Johann Melchior Goeze und Matthias Claudius kennen gelernt. Im Juli reiste er von Eutin im Gefolge des Prinzen ab. Erste Stationen waren Hannover und Kassel; in Göttingen schloss er Bekanntschaft mit Heinrich Christian Boie.
Noch vor der Abreise hatte ihn ein Ruf von Wilhelm Graf zu Schaumburg-Lippe aus Bückeburg erreicht. Bei einem Reiseaufenthalt in Darmstadt lernte Herder den Kriegsrat Johann Heinrich Merck kennen und über ihn Maria Karoline Flachsland, in die er sich unversehens verliebte (sie heirateten schließlich im Jahr 1773). Die rasch gefasste und erwiderte Neigung nährte in Herder den Wunsch nach festen Lebensverhältnissen. Er folgte dem Prinzen nur über Mannheim bis Straßburg, wo es zu dem für die deutsche Literatur äußerst folgenreichen Treffen mit dem jungen Johann Wolfgang Goethe kam. Herder erbat vom Eutinischen Hof seine (im Oktober gewährte) Entlassung, nahm die vom Grafen zu Schaumburg-Lippe angetragene Stellung als Hauptprediger der kleinen Residenz Bückeburg und als Konsistorialrat an, blieb aber einer (missglückten) Augenoperation wegen den Winter über in Straßburg. Das Augenleiden, eine Fistel, sollte er sein Leben lang nicht auskurieren. Hier machte Herder den fünf Jahre jüngeren Goethe auf Homer, Pindar, Ossian, Shakespeare, Hamann, die Volksdichtung und auf das frühgotische Münster aufmerksam. Herder war die erste überlegene Persönlichkeit, die Goethe kennenlernte; die Begegnung und die gemeinsamen Gespräche wurden von Herder dominiert. Gemeinsam beschäftigten sie sich mit L. Sterne, O. Goldsmith, J. J. Winckelmann, F. G. Klopstock, Shaftesbury, J. J. Rousseau, Voltaire und P. H. T. d’Holbach. Die problematische Freundschaft mit Goethe zeigt sich darin, dass Herder im Darmstädter Kreis die Urfassung von Goethes Gottfried von Berlichingen mit der Eisernen Hand (die noch gar nicht für die Bühne gedacht war) als ein Missverständnis Shakespeares kritisierte.
Ende April 1771 trat Herder seine neue Stellung als Oberprediger und Konsistorialrat in der Residenzstadt der Grafschaft Schaumburg-Lippe an. Das Verhältnis zu dem durch und durch soldatischen und keinen Widerspruch duldenden Landesherrn und Militärtheoretiker Graf Wilhelm gestaltete sich schwierig, auch weil dessen fromme Gemahlin Maria sich Herder in herzlicher Verehrung anschloss.
Die Zeit des Bückeburger Aufenthalts war Herders eigentliche Sturm- und Drang-Periode. Die von der Berliner Akademie preisgekrönte Abhandlung „Über den Ursprung der Sprache“ (1772), die er noch in Straßburg begonnen hatte, eröffnete eine Reihe von Schriften, mit denen er bahnbrechend für die junge deutsche Literatur werden sollte. Gemeinsam mit Goethe und Merck editierte er 1772 die „Frankfurter Gelehrten Anzeigen“, ein kritisches und programmatisches Organ deutscher bürgerlich-oppositioneller Intelligenz, zu dem er viele Rezensionen zu Geschichtsschreibung, Philosophie und Religion beisteuerte. 1773 zerbrach die Freundschaft zu Merck.
Die Aufsätze „Ossian und die Lieder alter Völker“, „Shakespeare“ in den fliegenden Blättern „Von deutscher Art und Kunst“ (Hamburg 1772) und der Schrift „Ursache des gesunkenen Geschmacks bei den verschiedenen Völkern, da er geblüht“ (1775 von der Berliner Akademie preisgekrönt) stellten Herder in den Mittelpunkt der Bewegung, die eine aus dem Leben stammende und auf das Leben wirkende Dichtung wiedergewinnen wollte. Die Poesie stand ihm umso höher, je näher sie der Natur steht; daher seien die herrlichsten Poesien von den ältesten Völkern geschaffen worden, von wilden Natursöhnen, denn die Kultur ist der Poesie im Herderschen Sinne schädlich. Ausgehend von Homers und Shakespeares Dichtungen stellte er heraus, dass Poesie auch bei „unzivilisierten“ Völkern den Kristallisationspunkt für humane Gesellschaftsformen bildet. Diese Eigenschaft sah er nicht nur bei Homer, sondern auch im Alten Testament und in der Edda. Daraus folgten seine bahnbrechenden Anstrengungen, nicht nur deutsches Liedgut zu sammeln, sondern auch altnordische Mythen und die Dichtungen der Minnesinger. Mathias Claudius gab den „Wandsbecker Boten“ bis 1775 heraus, bei dem Goethe, Herder und Gottfried August Bürger mitwirkten. Mit der Schrift „Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit“ stritt er 1774 gegen die öde und lebensferne Aufklärungsbildung der Zeit. Gleichzeitig eröffnete er einer neuen Geschichtsauffassung den Weg, die weder dem Geschichtspessimismus noch einem oberflächlichen Fortschrittsglauben verfällt. Geschichte gliedert sich in organisch aufeinander aufbauende Epochen, die ihr jeweiliges Eigenrecht besitzen und nicht mit ihnen äußerlichen Maßstäben beurteilt werden dürfen.
Er entwarf „Brutus. Ein Drama zur Musik“; es wurde von Johann Christoph Friedrich Bach vertont, mit dem ihn eine enge Freundschaft verband. Aus ihrem gemeinsamen Schaffen stammen die Oratorien „Die Kindheit Jesu“ und „Die Auferweckung des Lazarus“ (1773) sowie einige Kantaten und zwei dramatische Werke (Brutus und Philoktetes, beide 1774), wobei der kritische Herder offenbar in der engen Zusammenarbeit mit Bach seine musikästhetischen Ansichten in die Praxis umgesetzt sah. Diese Phase, die für Bach wohl die geistig anregendste Zeit in Bückeburg war, endete vorläufig 1776.
Hatte schon die Schrift „Auch eine Philosophie …“ entschiedenen Widerspruch hervorgerufen, so war dies noch mehr der Fall bei seinen (halb-)theologischen Schriften, der „Ältesten Urkunde des Menschengeschlechts“ (1774–76), den „Briefen zweener Brüder Jesu in unserm Kanon“ (1775), den „Erläuterungen zum Neuen Testament, aus einer neueröffneten morgenländischen Quelle“ (1775) und den 15 Provinzialblättern „An Prediger“ (1774). Die Angriffe veranlassten ihn, seine schon zum Druck vorbereitete Sammlung der „Volkslieder“ zurückzuhalten. Sie steigerten seine Reizbarkeit und ein Misstrauen, die in ihm früh erwacht waren.
Johann Kaspar Lavaters „Physiognomische Fragmente zur Beförderung der Menschenkenntnis und Menschenliebe“ mit kleineren Beiträgen Herders erschienen 1775–1778. Ab 1780 jedoch distanzierte sich Herder von Lavaters religiösem Mystizismus, aus ähnlichen Gründen lehnte er auch die Studien des Emanuel Swedenborg ab.
Herder verhandelte um eine Berufung an die Universität Göttingen (wo man ihm ein Kolloquium zur Prüfung seiner Rechtgläubigkeit auferlegen wollte), als er durch Goethes Vermittlung im Frühjahr 1776 als Generalsuperintendent, Mitglied des Oberkonsistoriums und erster Prediger an die Stadtkirche zu Weimar berufen wurde. Nach dem Tod seiner Bückeburger Gönnerin, der Gräfin Maria, entschloss sich Herder, dem Ruf zu folgen und traf am 2. Oktober 1776 in Weimar ein. Es entwickelte sich ein enger Kontakt zu Karl Ludwig von Knebel, August von Einsiedel und Christoph Martin Wieland, für dessen Teutschen Merkur (1773–1789) Aufsätze über Hutten, Kopernikus, Reuchlin, Savonarola, Sulzer, Winckelmann und Lessing entstanden. Für das Menschenbild dieser Zeit, (Stichwort „Neuhumanismus“) ist Winckelmann von Bedeutung. Es ist nicht von ungefähr auch an den so genannten Laokoonstreit zwischen Herder und Lessing zu denken.
Obwohl er rühmte: „Ich bin hier allgemein beliebt, bei Hofe, Volk und Großen, der Beifall geht ins Überspannte. Ich lebe im Strudel meiner Geschäfte einsam und zurückgezogener, als ich in Bückeburg nur je gelebt habe“, fühlte er sich oft von der Enge der Verhältnisse in Weimar bedrückt. Dennoch wirkte die veränderte Lage günstig auf ihn, seine literarische Produktivität stieg. Der Prozess, mit dem sich die hervorragendsten Repräsentanten des Sturm und Dranges in die Protagonisten der deutschen klassischen Literatur verwandelten, begann bei Herder Ende der 1770er Jahre. Die Abhandlungen „Vom Erkennen und Empfinden der menschlichen Seele. Bemerkungen und Träume“, „Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traum“ und die Herausgabe der „Lieder der Liebe“, mit Übersetzung des Hohenliedes Salomos sowie der längst vorbereiteten „Volkslieder“ (erst 1807 von seinem Freund Johannes von Müller „Stimmen der Völker in Liedern“ betitelt) waren seine ersten Veröffentlichungen in Weimar (alle 1778). Die Abhandlung „Über die Wirkung der Dichtkunst auf die Sitten der Völker in alten und neuen Zeiten“ galt erneut dem Nachweis, dass echte Poesie die Sprache der Sinne sei. Dies sollten auch die sorgfältig ausgewählten und hervorragend übersetzten „Volkslieder“ weiten Kreisen zum Bewusstsein bringen.
Gleichfalls einen positiven Einfluss hatte seit den frühen 1780er Jahren das wiederhergestellte gute Verhältnis Herders (und seiner Familie) zu Goethe. Herder trat in einen regen Gedankenaustausch zu dem jüngeren Freund. Allerdings verdunkelten Sorgen um die Zukunft der Familie, eine gewisse finanzielle Großzügigkeit und manche Krankheit Herders, gegen die er auf Badereisen Erholung suchte, diese lichten Jahre. 1780 wurde seine Schrift „Vom Einfluss der Regierung auf die Wissenschaften und der Wissenschaften auf die Regierung“ in Berlin preisgekrönt. In diesen Jahren entstand beinahe alles, was Herders Wirken durch innere Reife und äußere Vollendung bleibende Nachwirkung sicherte.
In dieser Zeit fand er einen bleibenden Freund in dem ursprünglich katholischen Carl Leonhard Reinhold. Bezogen sich die „Briefe, das Studium der Theologie betreffend“ (1780–81) und eine Reihe von Predigten auf Herders Amt, so leitete das große, unvollendet gebliebene Werk „Vom Geiste der Ebräischen Poesie“ (1782–83) von der Theologie zur Poesie über. Aus tiefer Mit-Empfindung für die Naturgewalt, die Frömmigkeit und eigenartige Schönheit der hebräischen Dichtung entstand ein Werk, von welchem Herders Biograf Rudolf Haym rühmte, dass es „für Kunde und Verständnis des Orients Ähnliches geleistet wie Winckelmanns Schriften für das Kunststudium und die Archäologie“.
1783 reiste Herder nach Hamburg und lernte Klopstock persönlich kennen, besuchte Matthias Claudius, Karl Wilhelm Jerusalem in Braunschweig und Johann Wilhelm Ludwig Gleim in Halberstadt; zu Friedrich Heinrich Jacobi entwickelte sich eine Freundschaft. Goethes Gedanken über eine organische Entwicklung in der Naturgeschichte kamen seinen – früheren – Vorstellungen einer Morphologie der kulturellen Entwicklung sehr nahe. Die alte Freundschaft lebte wieder auf, diesmal allerdings auf gleicher Ebene – Goethe musste nun von Herder als ebenbürtig anerkannt werden. 1785 begann Herder die Herausgabe seines großen Hauptwerkes, der „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ (1784–91), die endlich gelungene Ausführung eines Lieblingsplans, die breitere Ausführung von Gedanken, die er bereits in kleineren Schriften veröffentlicht hatte. Es war auch die energische Zusammenfassung alles dessen, was er über Natur und Menschenleben, über die kosmische Bedeutung der Erde, über die Aufgabe des sie bewohnenden Menschen, „dessen einziger Daseinszweck auf Bildung der Humanität gerichtet ist, der alle niedrigen Bedürfnisse der Erde nur dienen und selbst zu ihr führen sollen“ erarbeitet hatte. Hinzu kam, was er über Sprachen und Sitten, über Religion und Poesie, über Wesen und Entwicklung der Künste und Wissenschaften, über Völkerbildungen und historische Vorgänge gedacht und (wie seine Gegner meinten) geträumt hatte. Herders Vorstellung von Erziehung findet sich auch bei Johann Heinrich Pestalozzi (Abendstunde eines Einsiedlers), Schiller, Goethe (Wilhelm Meister) und Kant (Über Pädagogik). Von 1785 bis 1797 veröffentlichte er die „Zerstreuten Blätter“, in denen eine Reihe Abhandlungen und poetische Übersetzungen seine Geistesfülle erkennen ließ. 1787 wurde er Ehrenmitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften, es erschien seine Schrift „Gott. Einige Gespräche“, eine Auslegung und Verteidigung Spinozas. Des weiteren verfasste er ein „Buchstaben- und Lesebuch“. Als Goethe die Weimarer Gesellschaft durch die Sinnlichkeit der Römischen Elegien schockiert hatte, fand er Verständnis bei dem sonst so strengen Herder.
Eine Zäsur bildete Herders Italienreise in den Jahren 1788–1789, bei der er den Domherrn Johann Friedrich Hugo von Dalberg begleitete. Seine alte Reizbarkeit und manche ungünstige Zufälle wirkten zusammen, ihn eigentlich nur in Neapel zum Vollgenuss dieser Reise kommen zu lassen. In Rom fand er Anschluss an die Gesellschaft der gleichfalls dort weilenden Herzogin Anna Amalie von Sachsen-Weimar-Eisenach und schloss eine herzliche Freundschaft mit Angelika Kauffmann. Johann Friedrich Reiffenstein, Tischbein und Meyer führten ihn durch Rom. Herder empfing bleibende Eindrücke, die vielleicht noch günstiger gewirkt hätten, wenn ihn nicht abermals eine verlockende Berufung nach Göttingen in Zweifel gestürzt hätte. Die Rückkehr führte ihn über Florenz, Venedig und Mailand.
Goethe wirkte für Herders Bleiben in Weimar und konnte im Einverständnis mit dem Herzog manche Zusagen für die Zukunft machen. Herder ließ sich widerwillig zum Bleiben bestimmen, beide sollten dieser Entscheidung nur kurz froh werden. Krankheiten brachen seine Lebenslust und Schaffenskraft, die materiellen Sorgen im Herderschen Haus milderten sich nur vorübergehend, und die Ansprüche, die die Herders auf Grund der Abmachungen erhoben, führten zum endgültigen Bruch mit Goethe (wozu allerdings auch die sehr unterschiedlichen Ansichten zu den gesellschaftlichen Umwälzungen der Epoche beitrugen). Uneinig waren sich beide über die Ereignisse und politischen Wirkungen der Französischen Revolution (1789) . Herder hatte schon zuvor mit Eifersucht die wachsende Intimität zwischen Goethe und Schiller betrachtet. So trat allmählich ein Zustand der Isolierung und kränklich verbitterten Beurteilung alles ihn umgebenden Lebens ein.
1792 erschien Herders Aufsatz „Über ein morgenländisches Drama“, eine begeisterte Reaktion auf Johann Georg Adam Forsters „Sakontala“. Der fünfte Teil der „Ideen …“ blieb ungeschrieben, und bereits die „Briefe zur Beförderung der Humanität“ (1793–97) trugen die Farbe eines verdüsterten Geistes. Die geistigen Gegensätze, in denen er sich zur Philosophie Kants, zum Klassizismus Schillers und Goethes fand, verschärfte Herder nun gewaltsam und ließ sie in seinen literarischen Arbeiten mehr und mehr hervortreten. Er lernte den jungen Novalis kennen, der sich später für die Idee der Gründung eines kosmopolitischen, republikanischen Ordens begeisterte. Zu Beginn der Französischen Revolution hatte Herder noch offen seine Sympathien bekundet, änderte jedoch – ähnlich wie Schiller – spätestens mit den Septembermorden 1792 seine Ansicht. Er hatte mehrmals in einer Art von Selbstzensur und wegen offenbaren Drucks von oben seine „Ideen zur Philosophie der Geschichte der Menschheit“ umgearbeitet, und war auch deshalb kein Fürstenfreund.
Herders „Christliche Schriften“ (1796–1799), in denen sein Gefühl für den Kern des Christentums Ausdruck fand oder die Aufsätze für Schillers „Horen“ ließen den alten Herderschen Geist erkennen. Aber voll Bitterkeit und mit unzulänglichen Waffen bekämpfte er mit der „Metakritik zur Kritik der reinen Vernunft“ von 1799 und der „Kalligone“ (1800) die Philosophie Kants. Voll Verkennung richtete seine „Adrastea“ (1801–1803) ihre Spitzen gegen die klassizistische Strömung der deutschen Dichter und Denker insgesamt. Er sah voraus, dass diese den ganzen Ruhm davontragen würden und bezeichnete sich selbst bald als „dürrer Baum und verlechzte Quelle“, bald als „Packesel und blindes Mühlenpferd.“ In einer Zeit der wirtschaftlichen Not erschien „Iduna oder Der Apfel der Verjüngung“ als ein Beitrag der „Horen“, der Schiller zum Widerspruch reizte. Herder betonte hier die didaktische Aufgabe der Dichtkunst und stellte sich damit in Gegensatz zu der Theorie von der Autonomie der Kunst, die er wenige Jahrzehnte vorher mitbegründet hatte. Es entwickelte sich eine Freundschaft zu Jean Paul, der ihn in der Zeit 1798 bis 1800 häufig besuchte. Auch Christoph Martin Wieland unterstützte ihn.
In den Sommern 1802 und 1803 suchte er Heilung in den Bädern von Aachen und Eger, im Herbst 1803 erfolgte ein weiterer heftiger Anfall, dem er am 18. Dezember erlag. Letzte Arbeiten waren die „Legenden“, die Übertragung der Romanzen „Der Cid“ und die dramatischen Gedichte „Der gefesselte Prometheus“ und „Admetus' Haus“. Die Annahme eines ihm vom Kurfürsten von Bayern 1802 verliehenen Adelsdiploms (wodurch seinem Sohn Adelbert der Grundbesitz erhalten blieb), und die Ernennung zum Präsidenten des Oberkonsistoriums kamen wohl zu spät, um Herder Lebensmut zurückzugeben.
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