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Gustav Kuehne :: Критика
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Критика
Gustav Kühne beginnt seine literaturkritische Laufbahn Anfang der 1830er Jahre. Wie bei vielen anderen seiner Generation sind das Erleben der französischen Julirevolution und die Bekanntschaft der mit der Philosophie Hegels wichtige Einflußfaktoren.
Kühne wird dem erweiterten Kreis des Jungen Deutschland zugerechnet; eine seit der Gymnasialzeit bestehende Freundschaft bindet ihn insbesondere an Theodor Mundt, zu dessen Zeitschriftenprojekten er beiträgt. Das Verhältnis zum Jungen Deutschland, insbesondere zu Karl Gutzkow, bleibt jedoch ambivalent. Er würdigt die Texte Mundts und Wienbargs, teilt die Frontstellung gegen Tieck, lobt aber auch Rückert und stellt ihn neben Heine. Von den Publikationsverboten des Jahres 1835 ist Kühne jedoch nicht betroffen, was er der Tatsache verdankt, im "Literaturblatt" von Wolfgang Menzel als Zeuge gegen die Jungdeutschen aufgerufen worden zu sein. Ludwig Börne fordert Kühne daraufhin zum Bekenntnis zur neuen Literatur auf, was dieser auch – allerdings nicht ohne Kritik – leistet.
Kühnes weitere journalistische Laufbahn wird bestimmt durch seine jeweils langjährigen Tätigkeiten bei zwei wichtigen Zeitschriften. Von 1835 bis 1843 ist er Redakteur der "Zeitung für die elegante Welt". Er folgt auf diesem Posten Heinrich Laube nach, der wiederum übernimmt ihn erneut und grenzt sich 1844 in einer programmatischen Ankündigung deutlich – ohne Namensnennung – von Kühnes literaturkritischer Praxis ab. Kühne sieht sich weniger als gezielt auswählender und richtender Kritiker; er bespricht auch das, was sein Nachfolger Laube als "Plunder" bezeichnet und aus der "Eleganten" heraushalten will.
1846 übernimmt Kühne die Zeitschrift "Europa" von August Lewald und führt sie bis 1859. Hier erscheinen umfangreiche Kritiken wie die mehrteilige Besprechung der Gutzkowschen "Ritter vom Geiste".
Die Geschichte der "Europa" unter Kühnes Herausgeberschaft ist wechselhaft, ab Juli 1848 erscheint sie zunächst täglich, ab 1849 wieder als Wochenschrift in wechselnden Verlagen (Wigand, Hübner, Lorck). Sie muß – wie andere Zeitschriften auch – mit sinkenden Abnehmerzahlen zurecht kommen und Preßprozesse bestehen.
Zahlreiche der Kühneschen Kritiken aus der "Zeitung für die elegante Welt" erscheinen in zwei Bänden gesammelt im Jahr 1843. Der Titel "Portraits und Silhouetten" und auch die Anordnung der Beiträge – die aus verschiedenen Jahrgängen stammenden Rezensionen werden jeweils unter dem Namen des besprochenen Autors zusammengefaßt – weisen darauf hin, daß Kühnes Literaturkritik in erster Linie autorzentriert verfährt.
Die Qualität der Literaturkritik – Vorbild ist Lessing – verortet Kühne in der persönlichen Integrität des Kritikers, der eine Mittlerfunktion zwischen Kunst und Leser übernimmt und im Sinne eines Bildungsauftrags handelt. Das Publikum wird als Zielpunkt der Kritik gesehen, Autor und Kritiker formen gemeinsam ein literarisch-ästhetisches Angebot zu seinem sittlichen Nutzen. Dabei postuliert Kühne die Unvoreingenommenheit des Rezensenten und wendet sich gegen die ‘Kritiker der Gesinnung’, an deren Stelle ‘Kritiker des Talents’ treten sollen.
Kühne beschäftigt sich mit der Breite des literarischen Spektrums, wobei allerdings die Erzählprosa überwiegt. Eigene ästhetische Präferenzen sind bei ihm weniger ausgeprägt als bei Gutzkow, Laube oder auch Alexis. Mit ausführlichen, inhaltsorientierten Besprechungen versucht Kühne, "die Gesellschaftswelt […] zu ermessen" (Europa 1847, Nr. 3, 48) – er sieht eine wichtige Funktion von Literatur im Reflex der sozialen Wirklichkeit. Kühne fordert deshalb eine welthaltige Literatur, die verknüpft sei mit dem Schicksal der Nation, zugleich reklamiert er aber auch eine gewisse Autonomie des Künstlerischen: "Erst wenn die Kunst anfängt frei zu sein, d. h. unabhängig und nach eigner Offenbarung zu schaffen, kann sie sein was sie sein soll […]“ (Europa, 1855, Nr. 6, S. 62)
Die Wendung gegen die Kritik als Gesinnungspolizei bei gleichzeitig stark ausgeprägtem normativ-didaktischem Anspruch scheint nicht frei von Widersprüchen. Verständlich wird sie erst unter der Voraussetzung einer positiv zu bestimmenden Sozial- und Werteordnung. Die vermag auch, der Kritik einen sicheren Standort zu verleihen. Die Kunst wird als Ausdruck der Zeit verstanden; die Zeitgebundenheit des eigenen kritischen Standpunkts jedoch wird Kühne – wie anderen – nicht problematisch, da die Anbindung an eine allgemeine Sittlichkeit sie außerhalb der Zeitläufte stellt.
Kühnes normativer Ausgangspunkt läßt sich am ehesten mit dem Begriff der Bildung erfassen, auch die Literatur zeige, "wie eine edle feingebildete Natur sich in den geistigen Interessen der Zeit zurechtfindet". Seine ‘erläuternde Kritik’ will diesen Findungsprozeß für das Publikum aus den Texten herausarbeiten und fordert von den Autoren entsprechende Angebote ein.
Diese sozialethische Einordnung von Literatur und Literaturkritik des ‘halben’ Jungdeutschen ist kompatibel mit dem Literaturprogramm des Realismus. Kühnes Wertschätzung der Dorfgeschichte, die von der Forschung als protorealistische Gattung par excellence eingeschätzt wird, seine gleichzeitige Stellungnahme gegen die hermetisierende Detailmalerei Stifters mögen als weiterer Beleg für diese Nähe dienen.
Ein gutes Beispiel dafür, welche Elemente einer allgemeinen, positiv zu bestimmenden Ordnung nicht ins Belieben gestellt werden dürfen, ist die Ordnung der Geschlechter in ihrer literarischen wie sozialen Verfaßtheit. Hatte Kühne die ‘unmoralische’ Lyrik Heines in Schutz genommen, so gelten für die wirklichkeitsbezogene Gattung des Romans andere Maßstäbe, zumal dann, wenn er von Frauen verfaßt ist. Exemplarisch abzulesen ist dies an einer Einlassung, die sich anläßlich einer Veröffentlichung Fanny Lewalds gegen den Frauenroman insgesamt, gegen erotische Freizügigkeit, insbesondere aber gegen die Infragestellung der Ehe wendet: "Den Romanen der Frau Paalzow gegenüber schien es uns von Gewicht daß Fanny Lewald Blut und Leben von heute gab. Ihre "Jenny", ihre "Clementine" hoben wir neben der raffinirten Corruption in den Büchern der Gräfin Hahn hervor, weil sich in ihnen Sinn für die Aufgaben und den Werth der Männernaturen verrieth, das eigene Kleinod der reinen Frauenseele unverkümmert schien. Die Gräfin Hahn hatte in ihrer Polemik gegen die Mißformen der Ehe die Religion des weiblichen Herzens verloren. Diese Religion die sich in den früheren Schriften von Fanny Lewald kundgab, besteht in dem Institut und in der Überzeugung, daß die Liebe, selbst wenn sie frei waltend sich selbst Form und Richtung gibt, kein anderes Naturgesetz findet als das Gesetz der Ehe."
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