|
Heinrich Heine :: Критика
Творчість |
Біографія
|
Критика
Seinen Durchbruch als Dichter erlebte Heine durch die funkelnde Prosa der Reisebilder, deren erster Band 1826 erscheint. Unmittelbar vor der französischen Revolution von 1830, in einer trostlosen Zeit der «Fäulnis und Trauer», werden sie zum Prototyp einer Denk- und Schreibweise, an die nachfolgende Schriftstellergenerationen unmittelbar anknüpfen können.
«Ich will reisen und viel sehen. Dieses befördert auch meine Poeterey», hatte Heine nach Abschluss seines Studiums geäußert: Reiseeindrücke, verbunden mit Lesefrüchten und Erkenntnisfortschritten ließen immer neuen Stoff entstehen. Zudem ging die Arbeit schneller von der Hand als die quellengestützten Projekte. Dennoch war Heine kein Reiseschriftsteller. Er wollte keine fremde Realität vorstellen, seine Reiseberichte sind eher arm an Realien. Keine «erzählte Fremde» also, sondern der intelligente Blick auf die vorbeieilende Welt, die in Beziehung gesetzt wird zu eigenen Erfahrungen.
Heines «subjektiver Prosastil» machte das Ich zur Hauptgestalt: «Was ich aus den Dingen nicht hinaussehe, das sehe ich hinein.» Anstelle von Beschreibungen erfährt der Leser subjektive Eindrücke, anstelle von Urteilen Ansichten, anstelle von Begebenheiten Erlebnisse. Diese Art der Reisebeschreibung erlaubte es Heine, alle Register seiner Kunst zu ziehen, Empirie und Fiktion zu mischen, witzige Ideen-Assoziationen zu entwickeln, Kontrastvergleiche anzustellen und immer wieder die Grundlage zu schaffen für ernsthafte, analytische, teilweise prophetische Resümees von Gewicht. Dem Bauprinzip der einzelnen Texte entsprach die lose Reihenform der Bände. Die Reisebilder waren nur Sammelname und Mantel für verschiedene literarische Formen, Genres und Gattungen: für Reiseberichte, feuilletonistische Skizzen, Korrespondenzartikel, Aufsätze und Essays ebenso wie für Übersetzungen, Gedichte und Xenien.
Der erste Band der Reisebilder erscheint im Mai 1826. Er vereint die Harzreise – Heines erste Prosaarbeit mit dem legendär pennälerhaften Beginn: «Die Stadt Göttingen, berühmt durch ihre Würste und Universität» – mit den 88 Gedichten der Heimkehr und der ersten Abteilung der Nordsee; in der zweiten Auflage von 1830 ergänzte Nordsee II dann die erste Abteilung.
Kernstück des zweiten Bandes der Reisebilder (April 1827) bildet ein autobiografisches Fragment: Ideen. Das Buch Le Grand. Noch keine 30 Jahre alt, verbindet Heine hier autobiografische Skizze und weltgeschichtliche Perspektive, wobei ihm Goethes Dichtung und Wahrheit insofern als eine Art Muster diente, als «diese Selbstbiographie ... auch die Biographie der Zeit» darstellte und er sich die Verschränkung von individueller Biographie und Weltgeschichte ebenfalls zum Ziel gesetzt hatte.
Anfang 1830 erscheinen die Reisebilder III mit den Bädern von Lucca und der ebenso sorgfältig gemeinen wie flegelhaften Polemik gegen August von Platen. Mit dem vierten Band (Die Stadt Lucca, Englische Fragmente) wurde das Erfolgsprojekt Reisebilder 1831 abgeschlossen.
Das Buch der Lieder
1827 erscheint Heines erste große Lyriksammlung, das Buch der Lieder. Dass es einmal zu einem Kultbuch werden wird, ist vorerst nicht abzusehen. Erst ab der zweiten Auflage von 1837 folgen die Ausgaben rasch aufeinander und machen es zu einer der erfolgreichsten Lyriksammlungen der Weltliteratur. Heine hingegen verriet in späten Jahren eine nicht unerhebliche Distanz zu seinem frühen Werk. So schreibt er im Vorwort zur zweiten Auflage: «Bescheidenen Sinnes und um Nachsicht bittend, übergebe ich dem Publikum das Buch der Lieder; für die Schwäche dieser Gedichte mögen vielleicht meine politischen, theologischen und philosophischen Schriften einigen Ersatz bieten.»
Herausragend im Buch der Lieder erscheint auch heute noch Heines feines rhythmisches Gespür, das sich in bewusst einfach gehaltenen Versen manifestiert, die schon früh die Komponisten zu Vertonungen inspirierten.
Im Vergleich zu anderen Zeitgenossen wie Eichendorff und Mörike fällt bei Heine ein gewisses Auseinandertreten von Sprecher und Besprochenem auf, wodurch der Eindruck von Rollenhaftigkeit und manchmal auch von Konventionalität erweckt wird.
Die Loreley etwa evoziert aus der wehmütigen Distanz leicht verschwommener Erinnerung ein «Mährchen aus alten Zeiten».
Dieser eher mittelbare Charakter von Heines Lyrik kann sich auch in provozierender Stilmischung äußern, in der Einführung scheinbar unpassender Vokabeln aus der Alltagssphäre oder in der Kritik zeitgenössischer Haltungen konventionellen Literaturkonsums. Auffallend ist auch – sieht man einmal von den Nordsee-Gedichten ab – die Distanz zur Natur, die zumeist nur vermittelt durch fremde Erfahrung oder als Kulisse erscheint. Besondere Bedeutung erhält die kunstvolle Komposition in Zyklen, wodurch viele konstruktive Querverbindungen zwischen den einzelnen Gedichten hergestellt werden.
Das Buch der Lieder ist zugleich auch eine Sammlung von Liebesgedichten – eine, die Heine quantitativ nicht mehr übertroffen hat. Das petrarkistische Liebesmodell des Typus «schöne Herrin – blöder Ritter», wie es noch die Jungen Leiden beherrscht, wird dabei in den späteren Zyklen allmählich aufgelöst; das Bild der unerreichbaren Geliebten weicht der umfassenderen Einsicht in die Unmöglichkeit glücklicher Liebe überhaupt.
Im Wesentlichen gründet Heines Liebeslyrik auf der Überzeugung, dass sich die wahre Liebe eben dadurch beweist, dass sie auf Disharmonie der Wünsche beruht, ohne Aussicht auf Erfüllung ist und man ihrer allenfalls für einen flüchtigen Augenblick teilhaftig werden kann.
Die Übersiedlung nach Paris eröffnet Heine die Möglichkeit zu umfassender publizistischer Betätigung. Der Schwerpunkt seiner literarischen Arbeit verlagert sich auf journalistische und literarische Prosa. «Es will mich bedünken, als sey in schönen Versen allzuviel gelogen worden», erklärt er 1837 in der «Vorrede» zur zweiten Auflage des Buchs der Lieder. Sein Hauptanliegen dabei ist die gegenseitige Annäherung der angeblichen «Erbfeinde» Deutschland und Frankreich – eine Mission, über die er 1840 resümiert: «Alles was ich seit zehn Jahren über Frankreich schrieb, sey es in deutschen Journalen oder in besonderen Büchern, hatte nur einen Zweck, nemlich gewissen perfiden Berichterstattern entgegenzuwirken die, bezahlt von den Feinden des französischen Volks, unseren Deutschen alles was sich hier ereignet, die Menschen und die Dinge, im gehäßigsten Lichte zeigen.»
Dabei geschieht es immer wieder, dass Heine den Schreibprozess vorzeitig abbricht und vor der Allgewalt der Zensur kapituliert: «Sie drucken’s ja doch nicht!», schreibt er einmal an den Rand einer Passage, von der er ahnt, dass sie nicht die Billigung der Redaktion der «Allgemeinen Zeitung» finden wird.
Die Schriften über Deutschland
Im Mittelpunkt von Heines sogenannten «Deutschlandschriften» steht die kritische Auseinandersetzung mit deutscher Literatur, Religions- und Philosophiegeschichte. In der Romantischen Schule von 1835 etwa gibt er eine Übersicht der deutschen Literatur von Lessing bis zu den Romantikern Arnim und Brentano. Ein kurzer Seitenblick gilt namhaften Vertretern der literarischen Avantgarde, für die Heine seit 1833 den Schulbegriff des «Jungen Deutschland» gebraucht. Das Bekenntnis zur engagierten Literatur gibt ihm Gelegenheit zu einem Selbstporträt – ist er doch selbst einer der «Schriftsteller des heutigen jungen Deutschlands, die ... keinen Unterschied machen wollen zwischen Leben und Schreiben, die nimmermehr die Politik trennen von Wissenschaft, Kunst und Religion, und die zu gleicher Zeit Künstler, Tribune und Apostel sind.»
Ebenfalls 1835 erscheint die Abhandlung Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, in der Heine versucht, «die Phasen der deutschen Philosophie und zugleich ihre politische Bedeutung» verständlich zu machen. Als Folge der von Kant eingeleiteten philosophischen Umwälzung prophezeit er Deutschland eine baldige politische Revolution: «Mich dünkt, ein methodisches Volk wie wir mußte mit der Reformation beginnen, konnte erst hierauf sich mit der Philosophie beschäftigen, und durfte nur nach deren Vollendung zur politischen Revolution übergehen. Diese Ordnung finde ich ganz vernünftig. Die Köpfe, welche die Philosophie zum Nachdenken benutzt hat, kann die Revolution nachher zu beliebigen Zwecken abschlagen.»
Mit Statements wie diesen erregt er die persönliche Aufmerksamkeit des österreichischen Regierungschefs Metternich, der den Text als «wahres Meisterstück in Beziehung auf Styl und Darstellung» bezeichnet. Ein Kompliment mit Folgen, denn wenig später holen die deutschen Behörden auf Metternichs Anordnung hin zu einem entscheidenden Schlag gegen die kritische Literatur aus: Mit dem Bundestagsbeschluss vom 10. Dezember 1835 wird zum ersten Mal in der deutschen Geschichte eine Gruppe von Autoren per Dekret an der Fortsetzung ihrer literarischen Tätigkeit gehindert oder zumindest – und das auf Jahre hin – großen Beschränkungen unterworfen.
Mit Ludwig Börne. Eine Denkschrift, der, so Thomas Mann, «genialsten deutschen Prosa bis Nietzsche», legt Heine 1840 seinen Beitrag zur «Deutschen Ideologie» vor.
In der großen Auseinandersetzung mit seinem republikanischen Antipoden und Weggefährten des Exils versucht er eine eigene politische wie literarische Standortbestimmung. Die Denkschrift nimmt eine zentrale Stellung in Heines Werk ein. Ihre Entstehung zieht sich über drei Jahre hin. Sie wird immer wieder durch literaturpolitische Fehden unterbrochen, die sich im Schwabenspiegel (1838) und im Aufsatz Schriftstellernöthen (1839) niederschlagen und die polemische Stoßrichtung des Textes vermutlich verstärken.
Heines Verhältnis zu seinem ehemaligen Waffenbruder war zuletzt äußerst problematisch gewesen. Nach einer kurzen Phase des Schwankens hatte er ab Sommer 1832 die politische Radikalisierung Börnes, die enge Verbindung zu den deutschen Republikanern in Paris missbilligt und seine Gesellschaft eher gemieden. Wenn er doch einmal mit ihm zusammentraf, wusste er ihn durch provozierend neckische und mystifizierende Bemerkungen zu reizen, etwa indem er sich als gesinnungsloser Luftikus oder kultureller Banause gab. Börne seinerseits hatte schon bald den Stab über Heine gebrochen, sah in ihm einen frivolen, egozentrischen Feigling, der sich an die Aristokratie verkauft habe. Seit dem Herbst 1831 streute er, zunächst privat, das Gerücht aus, Heine sei ein bezahlter Agent des restaurativen Systems. Im Herbst 1833 trat er, im 109. der Briefe aus Paris und in der Form noch relativ maßvoll, erstmals öffentlich gegen ihn auf. Schärfer fiel dann seine Rezension von De l’Allemagne aus, die im Mai 1835 in der Zeitschrift «Le Réformateur» erschien. Hier holte Börne zu einem umfassenden Rundumschlag gegen Heine aus, bezichtigte ihn der Charakterlosigkeit und sprach seiner Interpretation der deutschen Philosophie und Literatur jede Seriosität ab. Und schließlich nahm er Heine den politischen Wind aus den Segeln, indem er ihn als poetischen Schmetterling charakterisierte, der unbeständig von einer Blume zur anderen flattere. Börne kommt zu dem Schluss, Heine habe zwar literarisches Talent, aber es fehle ihm an Charakter. Damit sei er für jegliche öffentliche Rolle disqualifiziert.
Zu diesen Anschuldigungen hatte Heine zu Lebzeiten Börnes geschwiegen. Erst nach dessen Tod im Februar 1837 reifte in ihm, der eigenem Bekunden nach «nie eine Beleidigung auf dieser Erde verzieh», der Gedanke einer öffentlichen Entgegnung, zumal er feststellen musste, dass Börne im Nachhinein geradezu «kanonisiert» wurde.
Um Heines Persönlichkeitsbild hingegen war in der Öffentlichkeit eine heftige Diskussion entbrannt, in der er eine Reihe von neuen Akzenten zu setzen gedachte. Er wusste: «Sobald sein Privatleben von dem unbarmherzigsten Lichte der Presse beleuchtet wird und die Tageskritik an seinen Worten würmelt und nagt, kann auch das Lied des Dichters nicht mehr den nöthigen Respekt finden.» Dabei geht er höchst subtil vor, auf mehreren Ebenen zugleich agierend. Kontrastiv zu Börnes Porträt entfaltet er ein Bild seiner selbst, das eine Rechtfertigung seines Schaffens und seines öffentlichen Verhaltens bietet, und zwar in einer zeitkritisch autobiografischen Form.
Zunächst stellt sich Heine lediglich als Beobachter vor, der sein «unmaßgebliches Dafürhalten», sein «Privaturtheil» über einen großen Zeitgenossen mitteilen wolle und bei dieser Gelegenheit einige wichtige Themen aus Geschichte und Theorie der literarisch-politischen Opposition der letzten fünfzehn Jahre besprechen müsse. Dabei werde er mit der «kältesten Unpartheylichkeit» verfahren und von sich nur insofern reden, als zur Wahrheit des Porträts immer auch die «genaue Angabe des Ortes und der Zeit» gehöre, an denen der Porträtierte dem Porträtisten gesessen habe. «Zugleich verhehle er nicht, welche günstige oder ungünstige Stimmung ihn während der Sitzung beherrschte. Ich liefere dadurch den besten Maßstab für den Glauben, den meine Angaben verdienen.» Aus seiner Authentizität verbürgenden Augenzeugenschaft sowie aus der Tatsache, dass die Öffentlichkeit seit jeher dazu geneigt habe, seinen Namen (in positivem wie in negativem Sinn) mit dem Börnes zusammenzustellen, leitete Heine die Verpflichtung zu einem «Hervorstellen» seiner eigenen Person ab. Fremd- und Selbstporträt sind also dialektisch miteinander verbunden; eine Tatsache, die sich übrigens auch daran ablesen lässt, dass Heine seinem Gegenüber Sätze in den Mund legte, die er selbst zuvor als eigene Formulierungen zu Papier gebracht, aber nicht veröffentlicht hatte.
Der von Börne entwickelten Talent-Charakter-Antinomie gibt er jedoch gezielt eine neue Wende. Heine versucht zu erklären, warum ihm gemeinhin «Charakter» abgesprochen werde. So heißt es in genauer Bezugnahme auf die Identifikationsprozesse beim Leser, das Publikum könne immer nur demjenigen Charakter zusprechen, bei dem es eine Übereinstimmung von «Lebensprogramm» und Realisierung dieses Lebensprogramms erkenne. «Begreifen» könne das Publikum jedoch nur minder begabte Menschen – wie Börne –, während «ausgezeichnete Geister» immer über ihr Zeitalter hinausragten und sich dem unmittelbaren Zugriff der «bornirten Menge» entzögen. Dass Heine sich diesen «Geistern» zurechnete, steht außer Frage, ebenso sein Ziel, mit dieser Erklärung die «momentanen» Schwierigkeiten, denen er in der öffentlichen Meinung begegnete, zu einer Art innerer Notwendigkeit zu überhöhen. Indirekt spiegelte er sich hier als «echter Dichter» ab, dessen Schöpfungen, dem Obelisken auf der Place de la Concorde gleiche, der von den Zwergen der Menge in ihrer putzigen «Beschränktheit» nur blinzelnd bestaunt werden könne.
Es gehört zu der bewusst dialektischen Doppelstrategie der Denkschrift, dass Heine, der sich zunächst nur als bescheidener Augenzeuge eingeführt hatte, im Hintergrund als einer jener «Artisten» erscheint, die das Wort «zu jedem beliebigen Zwecke» handhaben, es «prägen nach Willkühr» und «objektiv» schreiben, gerade weil sie dies von einem bewusst subjektiven, persönlichen Standpunkt aus tun. Während Börne als Autor nur das tagespolitische Treiben gesehen habe und ihn darum als Dichter meinte abwerten zu können, betonte Heine, dass er die Verbindung von «Kunstinteresse» und den «revoluzionären Interessen des Tages» gesucht und sich eben dadurch erst in eine wirklich geschichtliche Perspektive gestellt habe, zeichnete sich der «wahre» Dichter doch dadurch aus, dass er, wie Dante, das, was er beschrieb, wirklich «gelebt, gefühlt» und «gesehen» hatte.
Neue Gedichte
Nach 1840 wendet sich Heine wieder stärker der Versdichtung zu, wohl auch in Reaktion auf die erneute Konjunktur der politischen Lyrik in Deutschland. Was Heine dabei an der von ihm als «Tendenzpoesie» verhöhnten politischen Dichtung missfällt, sind ein phrasenhaft unkonkreter Enthusiasmus, Poesielosigkeit und Bierernst sowie der einseitig nationale Kurs. Zugleich stachelt ihn der kommerzielle Erfolg seiner Kollegen Freiligrath, Hoffmann von Fallersleben, Dingelstedt oder Herwegh an, sich selbst im Genre der «Zeitgedichte» zu versuchen. Auch bei Freiheitslyrik bestand Heine auf formaler Vollendung; eine gute Gesinnung allein qualifizierte noch nicht zu höheren Dichterweihen.
Heines eigene Leistungen können sich sehen lassen: Wie kaum einem anderen Schriftsteller seiner Zeit gelang es ihm in seinen Zeitgedichten und im Wintermärchen, Poesie auf höchstem künstlerischen Niveau mit konkreten politischen Aussagen zu verbinden und über dieses populäre Medium scharfe Kritik an den unzulänglichen politischen und sozialen Verhältnissen zu artikulieren. Einige wenige Gedichte von Weerth, Freiligrath und Herwegh ausgenommen, stellte er alles in den Schatten, was zwischen 1840 und 1848 an politischer Lyrik erschien, und avancierte ab 1842 auch als Lyriker zur kritisch-ironischen Stimme eines «besseren Deutschland».
Dabei findet man, von den Schlesischen Webern, dieser «Marseillaise der deutschen Arbeiter» (Alexandre Weill) einmal abgesehen, in seinen Gedichten keine eindeutigen, mitreißenden politischen Parolen. Ihre Wirkung beruht vielmehr auf einem meist ironisch gebrochenen Ton, in dem sich neben der Staats- und Gesellschaftskritik auch bewusst die individuelle Lebensproblematik des Subjekts abspiegelt. Dazu kommt bei einigen der bekanntesten Gedichte eine eigentümliche rhythmische Intensität, die u. a. durch sparsamen Umgang mit metrischen Akzentverschiebungen erreicht wird.
Die Nachtgedanken sind ein besonders eindringliches Beispiel für Heines traumhaft sicheren Umgang mit poetischer Sprache, die ihm nicht bloß zur Mitteilung dient, sondern ihrerseits wie Material behandelt, bearbeitet und eingesetzt wird, wobei kaum zu entscheiden ist, ob dem ein bewusster oder unbewusster Prozess zugrunde liegt. Die Klangstruktur bzw. Lautschicht des zehnstrophigen Gedichts ist integraler Bestandteil der ästhetischen Wirkung, wobei Heine seinem dunkel-ernsten, schwermütigen Text keineswegs eine simple Vokalmelodie unterlegt, sondern ganz im Gegenteil den Kontrast kultiviert, die phonetische Struktur durch gegenläufige Kunstmittel, etwa den Wechsel zwischen stimmlosen und stimmhaften Konsonanten, ein- und zweisilbigem Reim und den Wechsel der Auftaktbetonung bricht.
Der dramatischen Aufgipfelung in der neunten Strophe, einer schieren Kakophonie, in der die expressiven Zischlaute überwiegen, obendrein häufig gepaart mit unangenehm berührenden ä und ö, folgt die Schlussstrophe mit ihrer überreichen Klangskala, wie geschaffen als Übungsverse für deutliche Aussprache: ein buntes, dichtes Lautgefüge, das die bisherige Gleichförmigkeit umgehend aufzulösen vermag, genau so, wie im Text das Lächeln der Geliebten die Sorgen um die alte Mutter vergessen lässt.
In den im September 1844 erschienenen Neuen Gedichten fasst Heine dann neben einem Zyklus von 24 Zeitgedichten im Wesentlichen die Ernte seiner lyrischen Produktion seit 1827 zusammen: die 45 Gedichte des Neuen Frühlings, den auf 71 Gedichte angewachsenen Zyklus der Verschiedenen und 24 Romanzen; die ersten beiden Auflagen enthielten außerdem das satirische Versepos Deutschland. Ein Wintermärchen. Der Versuch von Autor und Verleger, mit den Neuen Gedichten an den Erfolg des Buchs der Lieder anzuknüpfen, gelang allerdings nicht.
Parallel zu den Neuen Gedichten wendet sich Heine ab 1842 der alten Gattung des Versepos zu. Mit Deutschland. Ein Wintermärchen (1844) und Atta Troll, der zwischen Januar und März 1843 in der Leipziger «Zeitung für die elegante Welt» und im Januar 1847 (mit dem Untertitel Ein Sommernachtstraum) als Buch erscheint, schafft er zwei komplementäre, innerlich aufeinander bezogene Werke. Während sich das humoristische Tierepos Atta Troll mit südlicher Naturkulisse und seinen vierhebigen Trochäen als «phantastisch zweckloses Waldlied» gibt und damit bewusst, in direkter Stoßrichtung gegen die «Tendenzpoesie», an die Romantik anknüpft, stellt Deutschland. Ein Wintermärchen eine scharfe Satire der deutschen Zustände dar.
Elemente des allegorischen Heldenepos parodierend, formal die gängige Volksliedstrophe verwendend, demonstriert Heine die Unmöglichkeit einer Vereinigung «der Jungfer Europa» mit dem «Genius der Freyheit» unter den obwaltenden Umständen, deren Kenntnis er bei seiner Deutschlandreise im Herbst 1843 aufgefrischt hatte. Seine Kritik richtet sich insbesondere gegen die politische Romantik, die in Preußen seit dem Machtantritt Friedrich Wilhelms IV. auf einen autoritären Nationalstaat zusteuert.
Die beißende, in der Zeit der Freundschaft mit Karl Marx akzentuierte Aggressivität des Deutschland-Epos wird flankiert durch die spielerisch humoristische Haltung des Atta Troll, die Heine später im epischen Fragment Bimini weiterentwickeln wird.
Mit der Fabel vom Tanzbären Atta Troll, dessen Hintergrund Heines Pyrenäenaufenthalt vom Sommer 1841 darstellt, versucht Heine, aus den Zwängen einer Atmosphäre der «political correctness» auszubrechen, die seit dem Misserfolg der Börne-Denkschrift seine schriftstellerische Basis bedrohte. Es galt, sich wieder einen neuen poetischen Freiraum zu schaffen und Distanz zu den alten Gegnerschaften zu gewinnen, die ihn zuletzt in den publizistischen Feldzügen der Strauß-Affäre bedrängt und im Pistolenduell vom 7. September 1841 auch physisch bedroht hatten. Erst aus diesem Freiraum heraus war dann auch ein neues politisches Engagement möglich.
Insbesondere in der zweiten Hälfte des Atta Troll versuchte Heine, «die alte Romantik, die man jetzt mit Knüppeln todtschlagen will, wieder geltend zu machen, aber nicht in der weichen Tonart der frühern Schule, sondern in der keksten Weise des modernen Humors, der alle Elemente der Vergangenheit in sich aufnehmen kann und aufnehmen soll». In einem Brief an Varnhagen evozierte er sein damaliges «Gelüste», sich «mit den alten Traumgenossen» der romantischen Schule noch einmal «herumzutummeln im Mondschein», wobei er sich jetzt bewusst ist, dass er gleichzeitig den «Schwanengesang der untergehenden Periode» geschrieben hatte, mit dem «die Muse der Romantik auf immer Abschied von dem alten Deutschland nahm. Das tausendjährige Reich der Romantik hat ein Ende, und ich selbst war sein letzter und abgedankter Fabelkönig», war das Fazit des Jahres 1846.
In den Geständnissen stimmt Heine daher den Kritikern zu, die ihn einen «entlaufenen Romantiker» nennen: «Trotz meiner exterminatorischen Feldzüge gegen die Romantik, blieb ich doch selbst immer ein Romantiker, und ich war es in einem höheren Grade, als ich selbst ahnte. Nachdem ich dem Sinne für romantische Poesie in Deutschland die tödtlichsten Schläge beygebracht, beschlich mich selbst wieder eine unendliche Sehnsucht nach der blauen Blume im Traumlande der Romantik, und ich ergriff die alte bezauberte Laute und sang ein Lied, worin ich mich allen holdseligen Übertreibungen, aller Mondscheintrunkenheit, allem blühenden Nachtigallen-Wahnsinn der einst so geliebten Weise hingab. Ich weiß, es war ‹das letzte freye Waldlied der Romantik›, und ich bin ihr letzter Dichter.»
Gegen die kurzsichtige Kritik gesinnungstreuer Charakterhelden sollte der geläutert romantische Nachzügler Atta Troll unter Benutzung traditioneller Fabelmotive die «unveräußerlichen Rechte des Geistes» vertreten, poetische Freiheit und Autonomie der Kunst («Phantastisch/Zwecklos ist mein Lied. Ja zwecklos/Wie die Liebe, wie das Leben,/Wie der Schöpfer samt der Schöpfung!»), ohne dass darum jene «heiligsten Menschheitsideen» preisgegeben würden, für die Heine selbst «so viel gestritten und gelitten» habe.
In der Gestalt des tollpatschigen Bären, der von sich selbst behauptet, er sei «kein Talent, doch ein Charakter», sollten sich zunächst die teutomanen Turner und Zivilisationsverächter in der Nachfolge Jahns und Maßmanns wiedererkennen. In einem weitergehenden Sinn aber war Atta Troll als «Satyre auf die menschlichen Liberalismus-Ideen überhaupt» angelegt, wie Heine in einem Brief an seine Mutter erklärte, der gegenüber er gleichzeitig einräumte, sein Bär habe vielleicht auch «ein bischen Färbung» von einem «Emanzipazions-Juden» abbekommen.
Im Unterschied zu Atta Troll geht das Wintermärchen seinen Gegenstand direkt, unverhüllt und ohne Umschweife an. Inhalt und Intention des Werks umriss Heine in einem Brief an Campe vom 17. April 1844 folgendermaßen: «Es ist ein gereimtes Gedicht, welches ... die ganze Gährung unserer deutschen Gegenwart, in der keksten, persönlichsten Weise ausspricht. Es ist politisch romantisch und wird der prosaisch bombastischen Tendenzpoesie hoffentlich den Todesstoß geben. Sie wissen ich prahle nicht, aber ich bin diesmal sicher daß ich ein Werkchen gegeben habe, das mehr furore machen wird als die populärste Broschüre und das dennoch den bleibenden Werth einer klassischen Dichtung haben wird.»
Beobachtend und reflektierend beschreibt Heine anhand der kapitelstrukturierenden Reisestationen die politische Realität seines Vaterlandes. Die Fülle der Bezüge und Verweise ist so groß, dass Heine in einem Brief an Caroline Jaubert einräumte, dass das Epos «tausendundeine für den französischen Leser nicht faßbare Anspielung» enthalte. Witz und Pathos, Ideologie und Satire stehen in einem beständigen Wechselspiel. Durch die geschickte Handhabung des sogenannten germanischen Verses gelingen dem Autor unzählige komische Effekte, überraschende Reime («Strohwisch/philosophisch»; «Schakalen/Journalen») erweitern die festgelegten Beziehungen zwischen den Wörtern.
Die «versifizirten Reisebilder», in denen Heine ein düsteres Bild von Deutschlands Gegenwart und ein noch dunkleres von seiner Zukunft entwirft («ein Gemisch/Von altem Kohl und Juchten»), sind Heines eingehendster und brisantester Beitrag zur Deutschland- und Preußendiskussion der vierziger Jahre. Mit dem Wintermärchen reagierte er auf den faktischen Machtzuwachs und die Hegemoniebestrebungen Preußens, das sich unter Friedrich Wilhelm IV. als Zentrum der politischen Restauration etablierte. Hellsichtig erkannte er die Gefahren eines sich modern gebärdenden, bis an die Zähne bewaffneten Nationalstaats, der die politischen Strukturen des Mittelalters zu restaurieren suchte.
Aus Heines Briefwechsel des Jahres 1844 geht deutlich hervor, wie besorgt er (zumal nach den negativen Erfahrungen mit der Börne-Denkschrift) um die Aufnahme des Werks war. Erneut hatte er es mit einer zweifachen Gegnerschaft zu tun: «Da das Opus nicht bloß radikal revoluzionär, sondern auch antinazional ist, so habe ich die ganze Presse natürlich gegen mich, da letztere entweder in Händen der Autoritäten oder der Nazionalen steht und von den unpolitischen Feinden, von rein literarischen Schuften, unter allerley Masken zu meinem Schaden ausgebeutet werden kann.» In dem in Hamburg verfassten Vorwort zum Separatdruck des Wintermärchen betonte er daher entschieden seine «unheilbare, große Vorliebe für Deutschland», wie er sie gegenüber Vertrauten längst offenbart hatte. Solchermaßen suchte er dem Vorwurf zu begegnen, er sei als «Freund der Franzosen» automatisch ein «Verächter des Vaterlands» – ein Einwand gegen seine Deutschland-Kritik, den er sich schon seit Jahren gefallen lassen musste. Heines persönlicher Patriotismus, wie er ihn im Vorwort prägnant definierte, zielt auf Fortführung und Verwirklichung der revolutionären Denktradition in Deutschland von Luther bis Hegel. Den «Teutomanen», den Schreihälsen der «sogenannten nationalen Partei», die seit 1840 verstärkt ihr Heimatrecht an Elsass-Lothringen reklamierten, warf er, wie er in Briefen an Karl Marx und Caroline Jaubert fast gleich lautend formulierte, entschlossen den «Fehdehandschuh» hin.
|