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Ludwig Rubiner :: Критика
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Критика
Als politischer Schriftsteller hat Rubiner die Kunst stets als Mittel zum Zweck benutzt; zwar verzichtet er auch in seinen Manifesten und Aufrufen nicht auf ästhetische Qualität, doch gilt diese nur zweitrangig. Seine Sprache ist stark durch seine aktivistische Absicht geprägt, den Leser aufzurufen, ihn zu mobilisieren, hinreißend zu wirken und zur Tat zu drängen. Sind seine frühen Schriften bis 1914 noch durch rhetorische Fragen, viele Gedankenstriche und Ausrufe gekennzeichnet, womit er sich leicht in die Reihe früherer revolutionärer Schriftsteller wie im Sturm und Drang oder im Jungen Deutschland einreihen ließe, so macht er sich während des Krieges messianischen Sprachstil der Expressionisten zu eigen. Kennzeichnend sind dabei ein beständiger Predigerton, ekstatische Wortüberhäufungen und bis ins unerträglich gesteigerte deklamierende Ausrufe. Seine Prosa, bei der es durchaus Beispiele der knappen und sachlichen Erörterung gibt, ist ebenso wie sein Hauptwerk, seine Lyrik und das eine Drama Die Gewaltlosen Anrede und Aufruf zur Tat; mit glühendem Eifer bedient er sich aller ihm zur Verfügung stehenden sprachlichen Mitteln, seine Mitwelt zur Erneuerung anzuregen.
Ein Bild, das sich durch sein gesamtes Schaffen zieht, ist das des Hervorbrechens des menschlichen Geistes unter der Kruste der Zivilisation, einer Eruption gleich. Dies ist auf den Ausbruch des Vulkans Montpellier auf Martinique im Jahr 1902 zurückzuführen, der noch Monate später den Nachthimmel über Berlin rot glühen ließ. Dieses Bild hat sich Rubiner so sehr eingeprägt, daß er es immer wieder, unter anderem in Das Himmlische Licht, als Allegorie für das Aufbrechen des allgemeinen menschlichen Schöpfergeistes verwendet, und, im Kontext des Zusammenbruchs bürgerlicher Ordnung am Ende des Ersten Weltkriegs, mit vorherrschenden Aufruhrerscheinungen zum kosmischen Ereignis verwebt.
In Das Himmlische Licht beginnt Rubiner mit einem Aufruf an den Kameraden, gewissermaßen als derjenige, der um den göttlichen Plan für die Menschheit weiß und sich mahnend infolge für die Verwirklichung dessen einsetzt. Er will zu den Kameraden "reden" - dies ist zentrales Wort sowohl des Gedichts als auch von Rubiners Aktivismus überhaupt. Reden und Tun fallen bei ihm zusammen: Tun, handeln, das heißt reden, überzeugen, das heißt, mit Hilfe des Wortes Gemeinschaft herstellen.
Ebenso wie in Die Ankunft soll die Masse mobilisiert und zur Tat gedrängt werden, stets unter dem Vorzeichen eines heraufdämmernden Zeitalters menschlichen Geistes, durch das "himmlische Licht" gekennzeichnet. Es wird in beiden Gedichten die Botschaft vom neuen Menschen verkündet, der Vulkanausbruch wird mit dem einzelnen wie mit der Gesellschaft in Bezug gesetzt, und ebenso wie die Erdkruste das himmlische Licht verdeckt, so hemmen materielle Interessen sowie autoritäre und gewalttätige Herrschaftsstrukturen den Umbruch der Gesellschaft zur Brudergemeinschaft. Es ist nicht Ziel dieser Lyrik, darzustellen, zu erklären oder zu belehren, sondern aufzurütteln und mitzureißen. Den Dithyrambus, die begeisterte Dichtung, nutzt Rubiner als Form, Befreiung und Erweiterung zum Ausdruck zu bringen. Das Chaotische und die Masse werden vom Ausdruck konventioneller Poetik befreit und gehorchen allein dem Tempo und der rhetorischen wie emotionalen Kraft des Dichters. Hier sind starke Einflüsse von Walt Whitman, einem Verfechter des humanistischen und allumfassenden Pathos, erkennbar.
Das Gegenüber des aufrufenden lyrischen Ichs ist bei Rubiner eine Welt sozialer Unruhen, deren Ton von Protest und Empörung bestimmt ist. Obgleich krasse Elendsbilder gezeichnet werden, gewahrt die Rhetorik stets Distanz, die ganz im Sinne der intellektuellen Wertung nach dem Maßstab eines göttlichen Plans aufrechterhalten werden muß.
Neben nach diesen Prinzipien gestalteter Lyrik ist noch sein Drama Die Gewaltlosen zu erwähnen, das lange Zeit als Musterbeispiel der Schwäche der spätexpressionistischen Epoche genommen wurde. Gedankliche Ekstase schade hier der dramatischen Form, es herrsche ein Mangel an Anschaulichkeit, Ausarbeitung der Charaktere, sei voll überhäufter Metaphorik und mystischer Symbolik. In der Tat spiegelt es aber Rubiners Ideologie und Zielsetzung deutlich wider: Thematisch läßt es sich in seinem Satz "Die Befreiung der Materie durch den Geist" zusammenfassen. Es wird ein utopischer Endzustand anvisiert, in dem eine durch Selbstlosigkeit und den Dienst am Mitmenschen gekennzeichnete Gemeinschaft angestrebt wird. Der Mensch lebt damit jenseits aller kapitalistischer Ausbeutung und Zwänge, vollkommen frei von Herrschaft Mensch über Mensch, ganz gemäß seiner eigenen Natur.
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