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Walther von der Vogelweide



 

Walther von der Vogelweide :: Критика

Творчість | Біографія | Критика

Ein Hauptthema von Walthers politischer Dichtung ist die Reichspolitik. Auffällig daran ist, dass er in allen Streitfragen, vom Streit zwischen Philipp und Otto um die Krone ab 1198 bis zum Kreuzzugsappell vom Herbst 1227, meist auf der entgegengesetzten Seite stand wie der jeweilige Papst. Schärfste Invektiven gegen den Papst trug er zunächst gegen Innozenz III. (1198-1216) im 2. Reichsspruch vor (wahrscheinlich auf Ereignisse von 1201, während des Kampfes zwischen Philipp und Otto, Bezug nehmend), sodann, unter Otto, polemisierte er im Unmutston gegen die Kollekte von Geldern durch Innozenz III.: diese seien nicht, wie angegeben, für einen Kreuzzug bestimmt, sondern würden bestimmungswidrig zum Ausbau des Laterans (zur Vorbereitung der Lateransynode von 1215) verwendet werden. Im Kreuzzugsappell vom Herbst 1227 betonte Walther, dass der Kreuzzug eine Sache der Ritter sei und der Kaiser der Anführer des Kreuzzuges; das bezieht sich darauf, dass Friedrich II. von sich aus den Termin zum Aufbruch festsetzte, während Papst Gregor IX. (1227-1241) die Oberhoheit des Papstes über den Kaiser durchsetzen wollte und Friedrich deswegen bannte: Gregor forderte, dass der Kreuzzug vom Kaiser im Auftrag des Papstes durchzuführen sei und daher auch der Aufbruchstermin vom Papst bestimmt werden müsse. Walther blieb bis ans Ende seiner Tage ein erbitterter Gegner der Forderung der Päpste, dass der Kaiser sich dem Papst zu unterstellen habe. In seinen religiösen Gedichten zeigt sich die auch sonst unter den deutschen Dichtern dieser Zeit häufige Haltung, dass für das Wohlergehen der Christenheit vor allem die richterliche Funktion des Königs und die kriegerische Leistung des Rittertums maßgeblich seien und sie in diesen Dingen daher nicht dem Papst unterstellt seien. Die Meinung, dass unter den Ständen der Kirche der Laienstand dem Klerus nicht untergeordnet sei und der Klerus keine besonderen Vorrechte besitze, kommt etwa auch in den Werken Wolframs von Eschenbach deutlich zum Ausdruck. Ein anderes mehrfach wiederkehrendes Thema ist die Schelte geiziger Gönner, die Walther nicht entsprechend seinem Wert entlohnten. Besonders scharf fielen seine Spottstrophen gegen Markgraf Dietrich von Meißen, Kaiser Otto IV. und Herzog Bernhard von Kärnten aus. Ob in allen diesen Fällen wirklich das zu geringe Honorar Ursache für den Bruch war oder in einigen Fällen nur metaphorisch für einen politisch motivierten Bruch stand, ist nicht feststellbar. Eine biographisch-chronologische Anordnung von Walthers Minnesang, entsprechend der politischen Dichtung, ist unmöglich, da hier nicht auf historische Ereignisse angespielt wird, die Anhaltspunkte für die Datierung geben könnten. Doch finden sich unter Walthers Liedern einige, die im Leser den Eindruck erwecken, noch nicht die volle Meisterschaft zu zeigen, und an Stil und Thematik anderer Minnesänger angelehnt sind. Diese ist man geneigt, seiner Jugendzeit zuzuschreiben; unter ihnen überwiegen Lieder der „Hohen Minne“ im Stil Reinmars von Hagenau. Eines von Reinmars Liedern ist nachweisbar 1195 für den Wiener Hof entstanden; viele vermuten daher, dass Reinmar zur Zeit von Walthers Jugend in Wien als Hofdichter engagiert gewesen sein könnte und Walther sein Schüler gewesen sei.[7] Die Annahme eines länger dauernden Lehrer - Schüler - Verhältnisses in Wien ist dafür allerdings nicht nötig. Später trug Walther mit Reinmar eine scharfe Fehde aus, die sich noch in Walthers Nachruf auf den Tod Reinmars spiegelt, obwohl Walther dort die künstlerische Leistung des Konkurrenten bewundert und ehrend seiner gedenkt. Die Fehde scheint sowohl eine künstlerische Seite gehabt zu haben - den Streit um die „richtige“ Minnekonzeption -, als auch eine menschliche, die persönlichen Hass zeigt. Eine wichtige Gruppe von Liedern zeigt Walthers neues, Reinmar entgegengesetztes Konzept, das Ideal der „ebenen Minne“, das eine nicht standesbezogene, wechselseitige und erfüllte Liebe als Ideal ansieht. Die populärsten seiner Lieder thematisieren die erfüllte Liebe zu einem Mädchen, dessen Stand meist nicht ausgesprochen wird, das aber nicht als adelig zu denken ist. Je nach Blickwinkel der Interpreten werden diese Lieder meist als „Niedere Minne“ oder „Mädchenlieder“ bezeichnet. Insbesondere wurde die Gattungszugehörigkeit an dem Lied Under der linden (L. 39,11) diskutiert; vor allem, inwieweit es Merkmale der Gattung ‚Pastorelle‘ besitzt.. Dieses thematisiert das Liebeserlebnis eines anscheinend einfachen Mädchens mit ihrem höfischen Geliebten in der freien Natur. Es zeigt die Abkehr vom Ideal der unerfüllt bleibenden „Hohen Minne“ des Ritters zur höher gestellten Dame. Walther hat selbst in verschiedenen Liedern das Wesen von Hoher, Niederer und schließlich „ebener“ Minne, der erfüllten Liebe von gleich zu gleich, entwickelt und charakterisiert. Walthers „Mädchenlieder“ lösen zeitlich wahrscheinlich die Frühphase, die stark vom klassischen Minnesang geprägt ist, ab. Eine scharfe Abgrenzung zu den Liedern der „Hohen Minne“ ist aber nicht möglich: die Übergänge sind fließend. Einige Lieder der „Hohen Minne“, die den Eindruck erwecken, die Wiederaufnahme einer älteren Thematik zu sein, fasste Carl von Kraus als eine Gruppe „Neue Hohe Minne“ zusammen. Dass er die Gruppeneinteilung Hohe Minne - Niedere Minne - Neue Hohe Minne - als eine chronologische Gliederung verstand, zog ihm scharfe Kritik zu, vor allem durch Günther Schweikle. Mittelalterliche Dichter scheinen sich an Gattungskonventionen gehalten zu haben bzw. die Schöpfung einer neuen Gattung wurde bewusst vorgenommen und von den Zeitgenossen auch als solche wahrgenommen. Doch entspricht dem nicht die Schaffung einer entsprechend ausgefeilten Terminologie; im Vergleich zum 20. Jahrhundert war man an terminologischer Unterscheidung der Unterarten von Gedichten nicht interessiert. Daher ist die Kategorisierung in heutiger Forschungsliteratur je nach Blickwinkel des Interpreten unterschiedlich. Seit Emil Staiger betrachtet die Literaturwissenschaft die Haltung eines Gedichtes, ob eher Gefühle übermittelnd (lyrisch) oder erzählend (episch) oder handlungsbetont (dramatisch); danach wäre nur Weniges an Walthers Gedichten als „lyrisch“ zu kategorisieren. Fasst man „Lyrik“ als Hinweis auf die Aufführungspraxis, als mit musikalischem Vortrag unter Begleitung mit einem Saiteninstrument vorgetragen, so gehört auch die gesamte Spruchdichtung Walthers, weil Sangversdichtung, zur Lyrik. Ob Walther selbst eine strenge gattungsmäßige Trennung zwischen den beiden Gattungen Lied und Spruch im Auge hatte, hängt an der Interpretation einer Zeile in seinem Alterston und ist daher umstritten. In Walthers Altersdichtung verschwimmt jedenfalls die formale Trennung zwischen einerseits mehrstrophigem (mindestens zweistrophigem) Lied und anderseits einzeln verstehbaren Spruchstrophen (auch wenn einige von Walthers Spruchtönen bestimmten Themen gewidmet sind). Auch sind schon von den Liedern der „Hohen Minne“ einige besser als metaphorisch verkleidete inhaltliche Auseinandersetzungen mit politischen oder künstlerischen Gegnern zu verstehen, also nicht reine Stimmungslyrik.



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