Ïðî÷èòàíèé : 240
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Êðèòèêà
III.
Psyche befand sich, unmittelbar vor dem Augenblicke, da dieses Fragment anfängt, in der Gemüthsstimmung, für einen jungen Hirten, mit welchem sie erzogen worden war, etwas zu empfinden, das mehr den Nahmen einer Anlage zur Zärtlichkeit als einer leidenschaftlichen Liebe verdiente.
So zärtlich fühlte sich ihr junges Herz noch nie.
Aus Neugier halb und halb aus Sympathie
Zieht sie die Hand, die er ergreift, zurücke,
So reitzend ungewiß, daß Er an seinem Glücke
Nicht zweifeln kann. Doch, wie er, hoch entzückt,
Die schöne Hand - noch nicht an seine Lippen drückt,
Nur eben drücken will - in diesem Augenblicke
Wird Psyche schnell empor gerückt,
Und durch die Luft, verfolgt von seinen Klagen,
Wie leichter Flaum vom Zefyr fortgetragen.
Mit diesen Versen schloß das zweyte Buch, und was nun folget, machte einen Theil des dritten aus.
* * *
Wo bin ich? Welch ein Ort? Wer brachte mich hierher?
Rief Psyche, da sie sich, als wie von ungefähr,
Auf weichem Moos, beschneyt von Rosenblättern
Und mit Schasmin, an eine Myrtenwand
Gelehnt, an einem Ort, der würdig schien von Göttern
Bewohnt zu seyn, auf einmahl wieder fand.
Sie dreht mit zweifelhaften Blicken
Sich schüchtern um, und fragt sich ob sie wacht?
»Träumt’ ich bisher? - Vor wenig Augenblicken,
Wo war ich da? - Nicht hier! - In Hirtentracht
Schien mir die Hand ein Liebesgott zu drücken.
Es war ein Traum! - Und doch - Nein, nein,
Es kann kein Traum gewesen seyn!
Er lauscht gewiß in diesen Myrten.«
Sie sucht, und findet wieder Hirten
Noch Liebesgott; ganz einsam ist der Hain,
Nur zärtlich girrende verliebte Turteltauben
Bewohnen ihn, und fliehen nicht vor ihr.
Ihr Wunder steigt und ihr Neubegier
Mit jedem Blick. Was soll sie glauben?
»Wie? ruft sie, war ich nicht kaum eine Schäferin?
War’s nur ein Traum aus dem ich itzt erwachte?
Das fühl’ ich doch, je mehr ich mich betrachte,
Daß ich noch stets die kleine Psyche bin!«
Und dennoch eilet sie zu einer Quelle hin,
Die im Gebüsch ihr Murmeln sichtbar machte.
Ihr erster Blick erkennt die reitzende Gestalt,
Mit welchem innigen Entzücken!
Sie streckt die Arme aus, mit liebevollen Blicken
Die schöne Brust, die ihr entgegen wallt,
An ihr aufwallend Herz zu drücken.
So zärtlich liebten sich zwey schöne Schwestern nie.
Sey immerhin der junge Hirt verschwunden!
Verschwunden war er flugs aus ihrer Fantasie
Und alle Welt mit ihm, so bald sie - sich gefunden.
Noch schwebt sie über dem bezaubernden Gesicht,
Als eine Stimme sie in dieser Wonne störet;
Musik war jeder Ton; sie schaut empor und höret,
Doch wen sie höre, sieht sie nicht.
»Kann Psyche noch mit ihrem Schatten spielen,
Sie, die der schönste Gott zum Lieblich sich erkiest?
O wüßte sie wie schön er ist,
Wie würde sie zu ihm sich hingerissen fühlen!
Sie, die der schönste Gott zu seiner Braut erkiest,
Sie fühlte sich zu groß mit Puppen noch zu spielen.«
So sang die Stimm’ und schwieg. Das Mädchen schaut empor
Und um sich her, sieht niemand, lauscht betroffen
Dem Wohlklang nach, der im entzückten Ohr
Noch wiedertönt. - »Wer heißt so stolz mich hoffen?
Hört’ ich auch recht? Ein Gott, der liebte mich?
Der schönste Gott? - Warum verbärg’ er sich?«
»Dein Aug’ ist noch zu schwach sein Anschaun zu ertragen,
(Versetzt die Stimm’) obschon gewohnt doch selbst zu sehn;
Du würdest, Psyche, vor Behagen
Und Wonne, sollt’ er dir erscheinen, gleich vergehn.«
Auf die Gefahr, denkt Psyche, wollt’ ichs wagen,
Und lächelt mädchenhaft ihr Bild im Wasser an.
Sie möchte gern noch dieß und jenes fragen,
Allein die Stimme schweigt. Auch Sie verstummt’ und sann
Der Wunderstimme nach und dieser neuen Liebe.
»Mich liebt ein Gott! So war es seine Macht
Was mich hieher in einem Wink gebracht?
Der schönste Gott? - Gewiß der Gott der Liebe!
Gewiß er selbst! Noch nie gefühlte Triebe
Und süße Schauer sagen mir,
Sein Hain sey dieß! Wer anders herrschte hier?
O, die ihr euch in diesen Myrten gattet,
Ihr Täubchen, leitet meinen Fuß
Zur Laube hin, die ihn umschattet,
O zeigt ihn mir, und Psychens erster Kuß
Sey euer Lohn!«
Dionens Vögel rühret
Der süße Lohn. Sie wird auf einem Blumenpfad
In lieblich irrenden Gebüschen fortgeführet,
Und nahet unvermerkt dem angenehmsten Bad.
Ah! welche ein Anblick! - Rosenhecken,
Mit Efeu unterwebt, verhüllen und entdecken
Zugleich das Lieblichste, was Augen jemahls sahn.
Darf sie der Götterscene nahn?
Sie darf. Ein Zefyr schwebt voran
Und zieht den Vorhang weg. O göttliches Vergnügen!
Auf Blumen, welche, leicht wie Geist
Und hell wie Luft, ein sanfter Quell befleußt,
Sieht sie die Huldgöttinnen liegen.
Wie schön gruppiert! Wie reitzend schwesterlich!
Zum Spiel beschäftigt, Blumenketten
Um lose kleine Amoretten
Zu winden, welche schmeichelnd sich
Um jeden runden Arm und weißen Nacken schmiegen,
Hier schlau versteckt aus schwarzen Locken lächeln,
Dort sich auf Lilienbusen wiegen,
Und ihre rege Gluth mit goldnen Schwingen fächeln.
Ein Mahler möcht’ ich seyn, wie dieser Augenblick
Auf Psychen wirkte, auszudrücken!
Dieß süße Schaudern, dieß Entzücken
Gemahlt von Guido - welch ein Stück
Die Dresdner Galerie zu schmücken!
Doch dazu wählt’ ich mir den schönern Augenblick,
Da sie, entdeckt vom ganzen kleinen Schwarme
Der Götterchen, den Grazien in die Arme
Getragen wird, und (was ihr süßes Staunen mehrt)
Sich Schwesterchen, sich Psyche nennen hört,
An jeden holden Mund, an jede Brust gedrückt,
Der Zärtlichkeit, wovon ihr Herz erstickt,
Sich überlassen darf, und küssend und geküßt
Vernimmt, daß alles hier um ihrentwillen ist.
Indem sie unter so viel Freuden
Sich selbst vergißt, erhascht die kleine Schaar
Den Augenblick, der ihnen günstig war
Zur Grazie sie umzukleiden.
In einem Wink steht sie gewandlos da,
Beschämt den losen Blick der Götterchen zu weiden,
Zu denen sie des Streichs sich nicht versah,
Sie schmiegt, um ihnen zu entrinnen,
In Pasitheens Brust ihr glühendes Gesicht;
Die kleine Blöde wußte nicht
Wie viel die Grazien selbst bey dieser Tracht gewinnen.
Ein lieblich Mittelding von Ideal
Und von Natur, auch zwischen Huldgöttinnen
Noch reitzend, steht sie da, der Wahl
Des schönsten Gottes werth, der, hoch aus Rosenlüften
Auf einen Zefyr hingebückt
Im Geiste sie an seinen Busen drückt.
Und nun, da Amfitritens Grüften
Apollons goldner Wagen naht,
Entsteigen sie dem kühlen Bad.
Schon wallet von den weißen Hüften,
Wie Silberduft, Sokratisches Gewand
Zum schönen Knöchel reitzend nieder,
Und Psychen flicht Aglaiens eigne Hand
Die Rosen ein, die Amors kleine Brüder
Für sie gepflückt. In einem Myrtensahl
Folgt itzt dem Bad ein leichtes Göttermahl
Von Fröhlichkeit und süßem Schmerz gewürzet,
Dem Mahl ein Lied, dem Lied ein Grazientanz;
Sie tanzen nymfenhaft geschürzet
Auf kurzem Gras, bey Lunens Silberglanz,
Indeß geschäft’ge Amoretten
Für Amors Braut ein sanftes Lager betten.
Den Grazien und den Amoretten
Schließt itzt auf ihren Rosenbetten
Der weiche Schlaf die Augen zu:
Nur Psychen läßt die Freude keine Ruh’
Sich an dem schönen Ort zu sehen.
Noch faßt sie nicht wie ihr geschehen;
Nur dieses einz’ge fühlet sie,
Der Ort und was sie da gehöret und gesehen,
Sey nicht ein Spiel der Fantasie.
Was läßt nicht solch ein Anfang hoffen?
Geliebt vom schönsten Gott, und wo sie geht ein Schwarm
Von Zefyrn und von Amorinen
Und Charitinnen Arm an Arm,
Die neue Venus zu bedienen!
Wem würde nicht der Kopf von solchen Bildern warm!
Auch sieht sie schon den hellen Himmel offen,
Sieht jeden Gott verliebt in Amors Glück
Und Eifersucht in jeder Göttin Blick,
Schwimmt um und um in Glanz und Wohlgerüchen,
In Harmonie und nahmenloser Lust,
Und wird zuletzt - an Amors Brust
Vom Schlummer unvermerkt beschlichen.
Vermuthlich denken Sie - »Ich? spricht die Priesterin:
Sie selbst, wo denken Sie wohl hin,
Zu glauben, daß bey dieser Stelle
Sich was besondres denken läßt?«
Ich meinte nur, erwiedert Alkahest,
Die Ursach’ wäre ziemlich helle.
Von Amorn ließe sich, schon seinem Rufe nach,
Ein wenig Hinterlist vermuthen.
Dient ihm sein Pfeil statt aller Zauberruthen,
Wer dächte, daß es ihm an Willen nur gebrach?
Auch öffnet er sich Psychens Schlafgemach
Und schleicht hinzu und - schaut. - Kann Venus schöner liegen?
Wie sanft sie ruht! Wie schmeichelhaft
Die leichten Träume sich auf ihrem Busen wiegen!
Und was aus eifersücht’gem Taft
Sein irrend Auge niederziehet,
Ein Tithon hätte sich zum Jüngling dran vergafft!
Wie hätte Vater Zevs vor diesem Fuß geknieet,
Der halb versteckt nur desto mehr verführt!
Und Amor, der aus Liebe sie entführt,
Er sah noch mehr und - wurde nicht gerührt?
Nichts scheint vom Glaublichen sich weiter zu entfernen,
Ich geb’ es zu. Allein, wir werden bald
Zwey Amorn unterscheiden lernen,
Halbbrüder zwar, allein an Herkunft und Gestalt
Und Neigung wahre Gegenfüßer.
Der eine findt den Mund unendlich süßer
Der reitzend küßt, als den der göttlich spricht,
Und ihn versucht die weiseste der Musen
Vielleicht durch einen schönen Busen,
Doch sicherlich durch ihre Weisheit nicht.
Der andre sieht im schönsten aller Busen
Nichts als - der Unschuld Wiederschein;
Ihm sind nur Seelen schön, und fänd’ er an Medusen
Das Innre liebenswerth, sie würd’ ihm Venus seyn.
Der Rest ist nichts warum er sich bekümmert;
Die Tugend, die durch Psychens offne Brust,
Wie durch Krystall, ihm in die Seele schimmert,
Läßt für gemeine Augenlust
Ihm keinen Sinn. - Sie lächeln einer Tugend
Die kaum mit Puppen noch gespielt?
Doch unser Amor sieht in Psychens grüner Jugend
Den Herbst bereits, den noch die Knosp’ enthielt,
Und das Vergnügen selbst sein Knöspchen zu entfalten
Ist ihm, der bloß Platonisch fühlt,
Mehr als genug sein Herz zu unterhalten.
Indessen, ob er gleich das liebe Kind bey Nacht
Nicht in der Ruhe stören wollte,
So war er doch nicht minder drauf bedacht,
Daß sie so schön erwachen sollte
Wie noch kein Erdenkind erwacht.
Neun Musen, rings um Psychens Bette
Gelagert, wirbelten so reitzend in die Wette,
Daß Psyche, die davon erwacht,
Schon im Olymp zu seyn sich gänzlich überredet.
Sie sangen, wie der Krieg, der in der alten Nacht
Das ungestalte Heer der Atomen befehdet,
Auf Amors Wink der Ordnung Platz gemacht,
Wie neue Formen sich zu bilden angefangen,
Und, von der Liebe Geist geschwellt,
Voll sympathetischem Verlangen
Die Keime gleicher Art einander angehangen,
Bis durch den Ocean des Äthers Welt an Welt
Gleich Frühlingstagen aufgegangen.
Der neue Amadis, 1. Gesang 2
Nenn’ uns, Thalia, die Damen! - Vor allen, als Aelteste, hebt
Sich Leoparde heraus, die unerbittlichste Spröde,
Mit großen Junonischen Augen; für die, gleich zärtlich und blöde,
Ihr Ritter, Trebisond, nur an einem Faden noch lebt.
Zur Rechten pranget an ihr Princessin Dindonette,
Sie, und ihr Eichhorn, und Puck, ihr kleiner türkischer Hund.
Ein gutes Mädchen, zu Tisch und zu Bette,
Fromm, wie ein Lamm, an Leib und Seele rund,
Nur (flüstert der Neid, nicht ohne scheinbaren Grund)
Ein wenig zu dumm, und ein wenig zu fette.
Zur Linken spitzt mit gezierter Anmuth den Mund
Princessin Schattulliöse, die Keusche;
Und Fräulein Colifischon macht mit sehr vielem Geräusche
Das Schooskind von Mama, und - ihre Thorheit kund.
Nie steht ihr Mäulchen still, stets flattern ihre Blicke,
Nie läßt sie Händ’ und Füsse ruhn;
Voll Launen, und kleiner schalkhafter Tücke,
Macht ihr quecksilberner Witz sich immer was zu thun,
Das andre verdreußt; und weiß sie nichts anders, ey nun,
So fliegt wie der Blitz die pudervolle Perücke
Von Trebisonds Kopf. Denn Fräulein Colifischon
Kennt kein Gesetz als jedes Augenblicks Laune,
Und diese läuft, wie gehext, mit ihrem Verstande davon.
Im übrigen eine reizende Braune!
Dem weinerlichen Bleumourant,
(Dem Sohn und Erben des Kaysers von Trebisonde)
Zur Rechten, glänzt weißhalsig, weiß von Hand
Und Stirn und Haar, in aurorafarbnem Gewand,
Mit Diamanten bedeckt, Miß Blaffardine, die Blonde;
So blond, und so sehr in ihre Blondheit verliebt,
Daß lange schon niemand die Mühe sich giebt,
Um ihrentwillen auch nur in einer Ode zu sterben.
Ihr frostiger Blick entnervt die kühnste Phantasie,
Und ihre Schönheit verspricht, weil noch kein Ritter für sie
Sich blond genug fand, der Nachwelt keinen Erben.
Don Caramel schliesset den Kranz, ein edler Ritter, und traun!
Nicht häßlich, sogar in Blaffardinens Augen,
Schön wie ein Herkules, allein, zum Unglück, braun.
Kein Mann, dem Ansehn nach, nur bloß an Blicken zu saugen;
Ein hübsches Modell zu einem Geßnerschen Faun,
Doch in der Liebe ganz Geist, (So kann das Ansehn trügen!)
Gewohnt, sich ohne Sold am Anschaun zu begnügen;
Ein Erbe der Tugend und Zucht des sel’gen Seladon,
So zärtlich wie er, so süß von Manieren und Ton,
So weiblich von Gefühl, obgleich von männlichern Zügen.
Stets war er fertig, zu Pferd und zu Fuß
Für Platons Amorn sich mit Riesen und Zwergen zu schlagen,
Die Liebe dürfte bey ihm auch in Gedanken nichts wagen,
Als höchstens einen ecstatischen Kuß,
Doch nur auf die Hand. Nach Ritter Caramels Sagen
War Dindonette selbst IN NATURALIBUS
Für ihn ein blosser Geist in einer Vertügade.
Hingegen hatten bey ihm die Schönen alle Verstand,
Und in Betracht der schönen Seele fand
Ein Busen, so reizend er war, vor seinen Augen Gnade.
Aus allen Freyern von Morgen, Mittag und Mitternacht,
Die an Schah Bambo’s Hof sich wie die Meereswogen
Ergossen, hatte Amors Macht
Nur diese zween den Schwestern nachgezogen,
Als ein Orakel, das Bambo sehr lächerlich fand,
Sie, was sie nicht hätten zu suchen, verband.
Der Bleumourant, entschlossen, sich ewig zu täuschen,
Hoft aus Verzweiflung, und wird durch keine Mißhandlung geheilt.
Dem andern, der Dindonetten und Schattulliösen, der Keuschen,
Sein Herz zu gleichen Theilen vertheilt,
Giebt, seinem Plato sey Dank! die Liebe süssere Stunden.
Nicht etwan, daß er sie schon zum capitulieren gebracht;
Ach! Nein; von Dieser wird ihm noch alles streitig gemacht,
Und Jene, beschäftigt mit ihren Puppen und Hunden,
Gab auf die erhabensten Sprüche mit halbem Ohre nur Acht.
Allein, er hatte doch schon, vom Mantel der Freundschaft umwunden,
Bey beyden den Weg zu ihren Herzen gefunden.
Von ihm besorgte man nichts; er durfte die Hälfte der Nacht,
An Dindonettens Bette sich setzen,
Und zwischen Wachen und Schlaf mit Mährchen sie ergötzen.
Ihr kennet nun, Freunde, so viel euch für itzt
Zu wissen dient, die Hauptpersonen im Stücke.
Die übrigen werden, so wie ihr gutes und böses Geschicke
Ins Spiel sie mischen wird, vor euerm günstigen Blicke
Sich stellen, wie sie sind, nicht wie sie ein Phidias schnitzt.
Denn Bambo’s Töchter (gesagt im Vertrauen)
Sind, gegen den ritterschaftlichen Brauch,
Die Pure Natur, und ihre Ritter auch.
Wir bessern nicht gern an den Werken der ALMA MATER RERUM,
Und lieben den Spruch: RIDENDO DICERE VERUM.
Die Gesellschaft sondert nunmehr nach der Tafel einzeln sich ab
Um wo es jedem beliebt der Mittagsruhe zu pflegen.
Don Bleumourant (mit einem entsetzlichen Degen
An seiner Seite, den ihm der Zauberer Padmanab,
Sein Pathe, mit auf die Wanderschaft gab)
Sucht, seinen Schmerzen nachzuhängen,
Im nahen Walde den allerwildesten Ort,
Wo Hecken und Büsche fein dicht sich in einander mengen.
Da wirft er sich an eines Gießbachs Bord,
Und klagt den Nymphen sein Leiden von Leoparden, der Strengen.
Herr Caramell lag inzwischen, von einem Lorbeerstrauch
Umschattet, züchtiglich zu Schattulliösens Füssen,
Und schien, wie dort bey Armiden der Liebeskranke Gauch
Rinaldo, in schmachtende Blicke wollüstig hinzufließen:
Indessen die Dame, ihr rosenfarbes Gesicht
Im weißen Arme versteckt, nicht wahrnimmt oder nicht achtet,
Mit welchem Ernst’ ihr Ritter die Reize betrachtet,
Die ihm, verschönert vom dämmernden Licht,
Ein Amor, unter den Falbeln an ihrem Rocke verstecket,
So wie sie zurückgelehnt sitzt, mit schlauem Lächeln entdecket.
In einer andern Laube hielt
Miß Blaffardinen, der Blonden und Kalten,
Ein Zwerg (denn dazumahl hatten die Zwerge noch viel zu verwalten)
Den größten Spiegel vor, den je ein Zwerg gehalten.
Sie sieht, mit dem lächelnden Stolz, den Venus auf Ida gefühlt,
Da Paris sie zur Schönsten erkohren,
Wie herrlich Blond in Blond auf ihrer Stirne spielt.
Indeß Leoparde, die Spröde, von zwanzig bewafneter Mohren
Und einem Gewebe von Laube vor männlichen Blicken beschützt,
Dianen ähnlich, im Bade bey ihren Nymphen sitzt. des sel’gen Seladon.
Ein Dichter ist berechtigt, bey seinen Lesern und Leserinneneinige Kenntniß von Mythologie und Geschichte, und einigeBelesenheit in Romanen, Comödien und andern Werken der Einbildungskraftund des Witzes vorauszusetzen. Es würde daher sehr unnöthigseyn, zu solchen Namen Anmerkungen zu machen, welche einem jedenbekannt seyn müssen, der nur den kleinsten Grad von Belesenheithat. Der eben so schöne als zucht- und tugendreiche SchäferSeladon, der Held des großen Pastoral-Romans desehrlichen alten M. D’URFÉ, ist unstreitig einer von diesenallgemein bekannten Nahmen in der poetischen Welt; man sagt zärtlichwie ein Seladon, wie man zu sagen pflegt, schön wie einAdon, oder tapfer und höflich wie Don Quixotte; und jedermannversteht, was man damit sagen will, wiewohl sich in unsern Tagenschwerlich drey Personen in ganz Europa finden möchten, welchesich mit Wahrheit rühmen könnten, die Asträagelesen zu haben. Inzwischen wollen wir doch bey dieser Gelegenheitdenenjenigen von unsern schönen Leserinnen, welche fürden seligen Seladon etwas mehr als eine bloße ESTIME SURPAROLE (wie es Helvetius nennt) zu haben wünschten,und gleichwohl nicht Muth genug haben, sich an einen so voluminösenund mit so viel Theologie, Philosophie und allen andern Artenvon Gelehrsamkeit angefüllten Roman, als die Asträades Marquis d’Urfé ist, zu wagen, - die neue Asträaeines Ungenannten empfohlen haben, welche die Quintessenzder alten in einem kleinen modernisirten Auszuge liefert, undim 9. Theile der BIBLIOTHEQUE DE CAMPAGNE, nach der GenfischenAusgabe von 1761, zu finden ist.
IN NATURALIBUS, d. i. in demjenigen kunstlosen Zustande, worinnLucian die drey Göttinnen dem Urtheil des Paris, Ariostdie schöne Angelica den Blicken des Ruggieri, unddie schöne Olympia (welcher er in gewissen Stücken denVorzug vor jener zu geben scheint; s. die 67. 68. u. 69. Stanzedes 11. Gesangs des Orlando) den Augen seiner Leser; Thomsonin seinem Sommer die schöne Musidora der verstohlnenBeschauung des jungen Damons, - und auch der trivialste Farbenkleckerdie Stammältern des menschlichen Geschlechts (wiewohl sohäßlich, daß die strengsten Verurtheiler derNuditäten damit zufrieden seyn können) ohne Bedenkenden Augen der Andacht selbst in jeder Dorfkirche aussetzt.
Die Vertügade, für welche wir kein schicklichesdeutsches Wort finden konnten, ist ein Stück der weiblichenKleidung des sechszehnten Jahrhunderts, welche man aus Gemähldendieser Zeit am besten kennen lernt. Sie war gerade das Gegentheilder gewöhnlichen Tracht, welche man den Grazien giebt; wenndiese der Imagination alle Mühe erspart, so machte ihrs jenebeynahe unmöglich zu errathen, was für eine Figur unterdieser Verkleidung verborgen seyn könne.
Wir bessern nicht gern u. s. w.
Wie man unserm Dichter die Freyheit, nach dem Beyspiele Buttlers,Priors, und andrer, lateinische Brocken in seine Verse einzumengen,aufnehmen werde, lassen wir dahin gestellt seyn. Denen, welchekein Latein verstehen, dienen wir inzwischen mit der Nachricht,daß die ALMA MATER RERUM die Mutter Natur sey, unddaß RIDENDO DICERE VERUM (ein halber Horazischer Vers)nichts mehr bedeute, als, die Wahrheit lachend sagen; - eine Kunst,welche (im Vorbeygehen zu sagen) eben nicht so leicht ist, alsuns diejenigen gerne bereden möchten, die nichts davon verstehen.
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