Ïðî÷èòàíèé : 138
|
Òâîð÷³ñòü |
Á³îãðàô³ÿ |
Êðèòèêà
Oberon, 9. Gesang 3
Denn, wie sie Hand in Hand nun wieder
Hervor gehn aus der Zell’, und ihre Augenlieder
Erheben - Gott! was für ein Anblick stellt
Sich ihren Augen dar! In welche fremde Welt
Sind sie versetzt! Verschwunden, ganz verschwunden
Ist ihr Elysium, der Hain, die Blumenflur.
Versteinert stehn sie da. Ist’s möglich? Keine Spur,
Sogar die Stätte wird nicht mehr davon gefunden!
Sie stehn an eines Abgrunds Rand,
Umringt, wohin sie schaudernd sehen,
Von überhangenden gebrochnen Felsenhöhen;
Kein Gräschen mehr, wo einst ihr Garten stand!
Vernichtet sind die lieblichen Gebüsche,
Der dunkle Nachtigallenwald
Zerstört! Nichts übrig, als ein gräßliches Gemische
Von schroffen Klippen, schwarz, und öd’, und ungestalt!
Zu welchen neuen Jammerscenen
Bereitet sie dieß grause Schauspiel vor?
Ach, rufen sie, und heben, schwer von Thränen,
Den kummervollen Blick zum heil’gen Greis empor:
»Ihm wurde dieß Gebirg in Frühlingsschmuck gekleidet,
Dieß Eden Ihm gepflanzt; um Seinetwillen nur
Genossen wir’s; und Schicksal und Natur
Verfolgen uns aufs neu’, so bald er von uns scheidet!«
Ich bin gefaßt, ruft Rezia, und schlingt
Ein Ach zurück das ihrer Brust entsteiget.
Unglückliche! der Tag, der all dieß Unglück bringt,
Hat dir noch nicht das schrecklichste gezeiget!
Sie eilt dem Knaben zu, den sie vor kurzem, süß
Noch schlummernd, (wie sie glaubt) verließ!
Er ist ihr letzter Trost; des Schicksals härtsten Schlägen
Geht sie getrost, mit ihm auf ihrem Arm, entgegen.
Sie fliegt dem Lager zu, wo er
An ihrer Seite lag, und, wie vom Blitz getroffen,
Schwankt sie zurück - der Knab’ ist weg, das Lager leer.
»Hat er sich aufgerafft? Fand er die Thüre offen
Und suchte sie? O Gott! wenn er verunglückt wär’?
Entsetzlich! - Doch vielleicht hat um die Hütte her,
(So denkt sie zwischen Angst und Hoffen)
Vielleicht im Garten nur der Kleine sich verloffen?«
Im Garten? ach! der ist nun felsiger Ruin!
Sie stürzt hinaus, und ruft mit bebenden Lippen
Den Knaben laut beym Nahmen, suchet ihn
Ringsum, mit Todesangst, in Höhlen und in Klippen.
Der Vater, den ihr Schreyn herbey gerufen, spricht
Umsonst den Trost ihr zu, woran’s ihm selbst gebracht:
»Er werde sich gewiß in diesen Felsgewinden
Gesund und frisch auf einmahl wieder finden.«
Zwey Stunden schon war alle ihre Müh
Vergeblich. Ach! umsonst, laut rufend, irren sie
Tief im Gebirg umher, besteigen alle Spitzen,
Durchkriechen alle Felsenritzen,
Und lassen sich, um wenigstens sein Grab
Zu finden, kummervoll in jede Kluft hinab:
Ach! keine Spur von ihm entdeckt sich ihrem Blicke,
Und von den Felsen hallt ihr eigner Ton zurücke.
Das Unbegreifliche des Zufalls, daß ein Kind
Von seinem Alter sich verliere,
An einem Ort, wo weder wilde Thiere
Noch Menschen (wilder oft als jene) furchtbar sind,
Mehrt ihre Angst; doch nährt es auch ihr Hoffen:
»Es kann nicht anders seyn, er hat sich nur verloffen,
Und schlief vielleicht auf irgend einem Stein
Vom Wandern müd’, in seiner Unschuld ein.«
Aufs neue wird der ganze Felsenrücken,
Wird jeder Winkel, jeder Strauch
Der ihn vielleicht versteckt, durchsucht mit Falkenblicken.
Die Unruh treibt sogar, wie unwahrscheinlich auch
Die Hoffnung ist ihn dort lebendig aufzuspüren,
Sie bis zum Strand herab, wo, unter dem Gemisch
Von aufgethürmtem Sand und sumpfigem Gebüsch,
Sie endlich unvermerkt einander selbst verlieren.
Auf einmahl schreckt Amandens Ohr
Ein ungewohnter Ton. Ihr däucht, es glich dem Schalle
Von Stimmen. Doch, weil’s wieder sich verlor,
Und sie bey einem Wasserfalle,
Der mit betäubendem Getöse übern Rand
Von einem hohen Felsenbogen
Herunter stürzt, sich ziemlich nah befand,
Glaubt sie, sie habe sich betrogen.
Ihr schwanet nichts von größerer Gefahr,
Ihr einziger Gedank’ ist ihres Sohnes Leben:
Und plötzlich, da sie kaum um einen Hügel, neben
Dem Wasserfall, herum gekommen war,
Sieht sie, bestürzt, von einer rohen Schaar
Schwarzgelber Männer sich umgeben,
Und hinter einem hohen Riff
Erblickt sie in der Bucht ein ankernd Ruderschiff.
Sie hatten kurz zuvor, um Wasser einzunehmen,
Vor Anker hier gelegt, und waren noch damit
Beschäftigt: als, mit schnell gehemmtem Schritt,
Auf einmahl eine Frau vor ihre Augen tritt,
Gemacht beym ersten Blick die schönsten zu beschämen.
Erstaunen schien sie alle schier zu lähmen,
An diesem öden Ort, den sonst der Schiffer fleucht,
Ein junges Weib zu sehn, die einer Göttin gleicht.
Der Schönheit Anblick macht sonst rohe Seelen milder,
Und Tieger schmiegen sich zu ihren Füßen hin:
Doch diese fühlen nichts. Ihr stumpfer Räubersinn
Berechnet sich den Werth der schönsten Frauenbilder
(Von Marmor oder Fleisch, gleich viel!) mit kaltem Blut
Bloß nach dem Marktpreis, just wie andres Kaufmannsgut.
Hier, ruft der Hauptmann, sind zehn tausend Sultaninen
Mit Einem Griff, so gut wie hundert, zu verdienen.
Auf, Kinder, greifet zu! So ein Gesicht wie dieß
Gilt uns zu Tunis mehr als zwanzig reiche Ballen:
Der König, wie ihr wißt, liebt solche Nachtigallen;
Und dieser wilden hier gleicht von den Schönen allen
In seinem Harem nichts. Ihr reicht Almansaris,
Die Königin, so schön sie ist, gewiß
Das Wasser kaum. Wie wird der Sultan brennen!
Der Zufall hätt’ uns traun! nicht besser führen können.
Indeß der Hauptmann dieß zu seinem Volke sprach,
Steht Rezia, und denkt zwey Augenblicke nach
Was hier zu wählen ist. »Sind diese Leute Feinde,
So hilft die Flucht mir nichts, da sie so nahe sind:
Vielleicht daß Edelmuth und Bitten sie gewinnt.
Ich geh’ und rede sie als Freunde,
Als Retter an, die uns der Himmel zugesendet.
Vielleicht ist’s unser Glück, daß sie hier angeländet.«
Dieß denkend, geht, mit unschuldsvoller Ruh
Im offnen Blick, und mit getrosten Schritten,
Das edle schöne Weib auf die Korsaren zu:
Allein sie bleiben taub bey ihren sanften Bitten.
Die Sprache, die zu allen Herzen spricht,
Rührt ihre eisernen entmenschten Seelen nicht.
Der Hauptmann winkt; sie wird umringt, ergriffen,
Und alles läuft und rennt, die Beute einzuschiffen.
Auf ihr erbärmliches Geschrey,
Das durch die Felsen hallt, fliegt Hüon voller Schrecken
Den Wald herab, zu ihrer Hülf’ herbey.
Ganz außer sich, so bald ihm was es sey
Die Bäume länger nicht verstecken,
Ergreift er in der Noth den ersten knot’gen Stecken
Der vor ihm liegt, und stürzt, wie aus der Wolken Schooß
Ein Donnerkeil, auf die Barbaren los.
Sein holdes Weib zu sehn, die mit blutrünst’gen Armen
Sich zwischen Räubertatzen sträubt,
Der Anblick, der zu Tiegerwuth ihn treibt,
Macht bald den Eichenstock in seiner Faust erwarmen.
Die Streiche fallen hageldicht
Auf Köpf’ und Schultern ein mit stürzendem Gewicht.
Er scheint kein Sterblicher; sein Auge spritzet Funken,
Und sieben Mohren sind schon vor ihm hingesunken.
Bestürzung, Scham und Grimm, von einem einz’gen Mann
Den schönen Raub entrissen sich zu sehen,
Spornt alle andern an, auf Hüon los zu gehen,
Der sich, so lang’ er noch die Arme regen kann,
Unbändig wehrt; bis, da ihm im Gedränge
Sein Stock entfällt, die überlegne Menge
(Wiewohl er rasend schlägt und stößt und um sich beißt)
Ihn endlich übermannt und ganz zu Boden reißt.
Mit einem Schrey gen Himmel sinkt Amande
In Ohnmacht, da sie ihn erwürgt zu sehen glaubt.
Man schleppt sie nach dem Schiff, indeß das Volk am Strande
Auf den Gefallnen stürmt, und tobt und Rache schnaubt.
Ihm einen schnellen Tod zu geben,
Wär’s auch der blutigste, däucht sie Gelindigkeit:
Nein, ruft der Hauptmann aus, um desto längre Zeit
Der Tode grausamsten zu sterben, soll er leben!
Sie schleppen ihn tief in den Wald hinein,
So weit vom Strand, daß auch sein lautstes Schreyn
Kein Ohr erreichen kann, und binden ihn mit Stricken
Um Arm und Bein, um Hals und Rücken,
An einen Baum. Der Unglücksel’ge blickt
Zum Himmel auf, verstummend und erdrückt
Von seines Elends Last; und laut frohlockend fahren
Mit ihrem schönen Raub nach Tunis die Barbaren.
|
|