Ïðî÷èòàíèé : 296
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Êðèòèêà
Der Trompeter von Säkkingen 3. Stück
Schwimmt ein Schifflein auf dem Meere,
Schwimmt heran zur fränk’schen Küste,
Fremde Segel – fremde Wimpel –
Und am Steuer sitzt ein blasser
Mann im schwarzen Mönchsgewand.
Dumpf, wie ein wehmütig Klagen
Klingt der Pilger fremde Sprache,
Klingt Gebet und Schifferrufen,
’s sind die alten keltischen Laute
Von Erin, der grünen Insel,
Und das Schifflein trägt den frommen
Glaubensboten Fridolinus.
»Laß die Klag’, herzliebe Mutter,
Nicht mit Schwert und nicht mit Streitaxt
Darf der Sohn sich Ruhm erstreiten,
Andre Zeiten, andre Waffen.
Glaub’ und Lieb’ sind meine Wehre,
Meinem Heiland treu ergeben
Muß ich zu den Heiden ziehen,
Keltisch Blut treibt in die Ferne.
Und im Traum hab’ ich erschauet
Fremdes Land und fremde Berge,
Jungen Strom mit grüner Insel,
War so schön fast wie die Heimat.
Dorthin wies des Herren Finger,
Dorthin zieht nun Fridolinus.«
Opferfreudig fuhr mit wenig
Frommen irischen Genossen
Fridolin die weite Meerbahn,
Fuhr hinein ins Reich der Franken.
Zu Paris saß König Chlodwig,
Lächelnd sprach er zu den Pilgern:
»Hatt’ sonst nicht die größte Vorlieb’
Für die Kutten, für die Heil’gen;
Aber seit mir die verfluchten
Scharfen Alemannenspieße
Allzunah ums Ohr gepfiffen,
Seit der schweren Schlacht bei Zülpich
Bin ich andrer Ansicht worden,
– Not lehrt auch die Könige beten.
Schutz drum geb’ ich, wo ihr hinzieht,
Und empfehl’ hauptsächlich euch am
Oberrhein die Alemannen,
Diese haben schwere Schädel,
Diese sind noch trotz’ge Heiden,
Macht mir diese fromm und artig.«
Weiter zog das fromme Häuflein,
Zog in die helvetischen Gauen;
Dort begann die ernste Arbeit,
Und des Kreuzes Zeichen wurde
Aufgesteckt am Fuß des Säntis,
Aufgesteckt am schwäb’schen Meer.
Von dem Jura stieg hernieder
Fridolin – er sah die Trümmer
Von Augusta Rauracorum,
Römermauern – noch entragten
Aus dem Schutt des grünen Tals die
Säulen des Serapistempels.
Doch Altar und Göttercella
War von Disteln übersponnen,
Und des Gott’s basaltnen Stierkopf
Hatt’ ein alemann’scher Bauer,
Dessen Ahn vielleicht den letzten
Priester des Serapis totschlug,
Über seinen Stall gemauert.
Fridolin sah’s und bekreuzt’ sich
Und schritt weiter, schritt rheinaufwärts,
Freudig ob des jungen Stromes.
Abend war’s, schon manche Meile
War der fromme Mann gewandert,
Da erschaut er, wie der Rhein in
Zweigeteiltem Lauf einherfloß,
Und in grüner Flut lag grüßend
Vor ihm da ein kleines Eiland.
(Einem Sack gleich lag’s im Rheine,
Und die Landbewohner, deren
Gleichniss’ just nicht fein gewählt sind,
Nannten’s drum Sacconium.)
Abend war’s, die Lerchen sangen,
Schnalzend sprang der Fisch im Strom auf
Und in Fridolini Herzen
Zuckte dankbar fromme Freude.
Betend sank er in die Knie,
Denn er kannt’ die Insel, die er
Längst im Traume schon ersehen,
Und er pries den Herrn im Himmel.
Wohl ein mancher von uns andern
Spätgebornen Menschenkindern
Träumt von einem stillen Eiland,
Wo sich glücklich ließe nisten
Und das müde Herz sich labt an
Waldesruh und Sonntagsfrieden,
Und ein mancher zieht sehnsüchtig
Auf die Fahrt – doch wenn sein Fuß sich
Am erträumten Lande wähnt,
Weicht es jäh vor ihm zurücke,
Wie im Süd’ das wundersame
Spiegelbild der Fee Morgana.
Mit Kopfschütteln fuhr den fremden
Mann auf rohgefügtem Tannfloß
Dort ein wilder Schiffer über.
Rauh die Insel; Lind’ und Erle
Wucherten in sumpf’gem Grunde,
Und am kieselreichen Ufer
Standen alte Weidenbäume,
Standen wenig Strohdachhütten.
Dort im Sommer, wenn der große
Meerlachs seine Rheinfahrt macht,
Lauerte mit scharfem Spieße
Sein der alemann’sche Fischer.
Unverdrossen ging der Heil’ge
An sein Werk – bald stand sein Blockhaus
Festgezimmert in dem Grunde,
Vor dem Haus der Stamm des Kreuzes.
Und wenn abendlich sein Glöcklein
Weithin klang: Ave Maria!
Und er betend kniet’ am Kreuze,
Schaute mancher aus dem Rheintal
Scheu hinüber nach der Insel.
Trotzig war der Alemanne,
Haßte einst die Römergötter,
Haßte jetzt den Gott der Franken,
Der bei Zülpich wie ein Wetter
Ihre Heerschar niederschlug.
Wenn am Winterabend faul der
Hausherr auf der faulen Haut lag,
Und die Weibervölker emsig
Ihre Zung’ spazieren ließen
Und von dem und jenem schwatzten:
Wie die Milch im Krug geronnen,
Wie der Blitz ins Haus gefahren,
Wie den Jungen auf der Saujagd
Schwer des Keulers Zahn getroffen,
Dann bedachtsam sprach die alte
Alemann’sche Großmama:
»Dran ist niemand anders schuld als
Drüben auf der Rheines-Insel
Jener blasse fremde Beter.
Trauet nicht dem Gott der Franken,
Trauet nicht dem König Chlodwig!«
Und sie fürchteten den Fremden.
Einstmals, ’s war die Sonnwendfeier,
Fuhren sie zu seiner Insel,
Tranken dort nach altem Landbrauch
Met aus ungeheuren Krügen,
Und sie fahten auf den Heil’gen,
Doch der war rheinab gefahren.
»Wollen drum dem blassen Mann ein
Zeichen unsers Festtags lassen!«
Und die Feuerbrände flogen
In die Hütte Fridolini,
Und sie sprangen jubelnd durch die
Flammen: »Heil und Lob sei Wodan!«
Still vergnüglich sah’s von fern die
Großmama – unheimlich glänzt ihr
Runzlig Antlitz, flammbescheinet.
Fridolinus kam zurück, er
Stand am Schutte seines Hauses,
Und er sprach wehmütig lächelnd:
»Prüfung schafft den Mut nur höher,
Dank dem Herren für die Prüfung.«
Und er baut’ sein Haus von neuem,
Und er fand den sichern Pfad zu
Seiner Nachbarn rauhem Herzen.
Erst die Kinder, dann die Frauen
Lauschten seinen milden Worten,
Und der trotz’gen Männer mancher
Nickte Beifall, wenn er zeigte,
Wie sie in Erin, der Heimat,
Sichrer noch den Lachs erlegten,
Wenn er sang von alten Mären,
Wie auch auf den kaledon’schen
Klippen hart der Kampf getobet
Mit dem Römer, und wie Fingal
Niederwarf den Caracul.
Und sie sprachen: »’s muß ein starker
Gott sein, der den Mann zu uns führt.
Und ein guter Gott, sein Bote
Schaffet unserm Fischfang Segen.«
Und vergeblich warnt’ die Ahnfrau:
»Trauet nicht dem Gott der Franken,
Trauet nicht dem König Chlodwig!«
Ja, er traf die rauhen Herzen,
Und sie lernten schwer, doch willig
Fridolini Lehre, wie das
Geben seliger als Nehmen,
Dulden mehr als Feind’ erschlagen,
Und wie aller Götter höchster
Der, der an dem Kreuz geduldet.
Kaum ein Jahr war abgelaufen,
’s war Palmsonntag – niederstiegen
Rings von allen Bergeshalden
Die Bewohner und der Kahn trug
Sie zur Insel Fridolini.
Friedlich legten vor der Insel
Schwert und Schild und Axt sie nieder,
Und die Kinder brachen fröhlich
Sich die ersten Weidenblüten
Und die Veilchen an dem Ufer.
Aus der Klause trat geschmückt im
Priesterkleide Fridolinus,
Ihm zur Seite die Genossen,
Die von fern herüberkamen,
Aus Helvetien Gallus, und vom
Bodensee Sankt Kolumban;
Und sie führten zu dem Ufer
Hin die Schar der Neubekehrten,
Und sie tauften sie im Namen
Des dreiein’gen Christen-Gottes.
Sie allein kam nicht herunter
Zu des frommen Mannes Insel,
Sie, die alte trotz’ge Ahnfrau.
Sprach: »Am Abend meines Lebens
Brauch ich keine neuen Götter.
War zufrieden mit den alten,
Die mir hold und gnädig waren,
Die den Eh’gemahl mir schenkten,
Meinen braven Siegebert;
Wenn ich einst zu sterben gehe,
Würd’ ich den nicht wieder finden,
Und zu ihm geht all mein Sehnen;
Will begraben sein im Walde,
Wo bei mistelschwerem Tannbaum
Die Alraunenwurz heimlich aufsprießt,
Will kein Kreuz auf meinem Grabe,
Andern mög’ es Segen bringen.«
Fridolinus aber legte
Noch denselben Tags den Grundstein
Zu dem Kloster und dem Städtlein,
Und sein Werk gedieh in frischem
Wachstum – rings in allen Gauen
Ward der heil’ge Mann geehrt.
Als er einstmals wieder eintrat
Zu Paris in Chlodwigs Hofburg,
Setzt’ der König ihn zur Rechten
Und ließ in solenner Schenkung
Seinem Stift die Insel und viel
Ander Land zu eigen schreiben.
Ja, er ward ein großer Heil’ger.
Kennt die Mär ihr vom Gerichtstag
Und vom toten Grafen Ursus,
Wie sie am Portal der Kirch’ noch
Jetzt ein steinern Standbild kündet?
Ja, er ward ein großer Heil’ger,
Ihn verehrt als Schutzpatron noch
Heut das Rheintal; auf den Bergen
Läßt der Bauersmann noch heut den
Erstgebornen Fridli taufen.* * * Wohlgemut am sechsten Märzen
Schied jung Werner aus dem Pfarrhof,
Dankend schüttelt er die Hand dem
Biedern Pfarrherrn, der ihm freundlich
Glück auf seinen Fahrten wünschte.
Auch die Schaffnerin war völlig
Ausgesöhnet mit dem Gaste,
Und verschämt errötend schlug sie
Ihre alten Augen nieder,
Als jung Werner scherzend ihr zum
Abschied eine Kußhand zuwarf.
Bellend sprangen beide Hunde
Weit noch mit dem Reitersmann.
Freundlich schien die Märzensonne
Auf die Stadt Sankt Fridolini,
Leis verhallten von dem Münster
Feierliche Orgeltöne,
Als jung Werner durch das Tor ritt.
Eilig sucht’ er für sein Rößlein
Unterkommen – und er schritt dann
Nach dem buntbelebten Marktplatz,
Schritt hinauf zum grauen Hochstift,
Zum Portal entblößten Hauptes
Trat er und ersah den großen
Festzug itzt vorüberziehn.
In der Kriegsnot lag geflüchtet
Der Reliquienschrein des Heil’gen
In der Laufenburger Feste.
Die im Städtlein hatten sein
Gegenwart oft schwer vermißt, und
Jetzt, wo Frieden in dem Land war,
Trachteten sie mit neuem Eifer
Sie den Heil’gen zu verehren.
Am Beginn des Zuges war die
Schar der Kinder, festesfreudig.
Aber wenn sie lustig scherzten,
Kam der graue Oberlehrer,
Zupft’ sie scheltend an den Ohren:
»Still geblieben, kleines Völklein!
Hütet euch, solch loses Schwatzen
Möcht’ Sankt Fridolinus hören,
Der ist ein gestrenger Heil’ger,
Der verklagt euch in dem Himmel.«
Zwölf Jünglinge trugen dann den
Sarg, geschmückt mit Gold und Silber
Barg des Heiligen Gebein er.
Trugen ihn und sangen leise:
»Der du hoch im Himmel wohnest,
Schaue gnädig auf dein Städtlein,
Schließ es gnädig ins Gebet ein,
Fridoline! Fridoline!
Leih auch fürder deinen Schutz uns,
Wolle gnädig vor Gefahren,
Krieg und Pestilenz uns wahren,
Fridoline! Fridoline!
Der Dechant und die Kapläne
Folgten ihnen, – kerzentragend
Schritt der junge Bürgermeister,
Schritten die wohlweisen Ratsherrn,
Und die andern Würdenträger:
Amtmann und Renteiverwalter,
Syndikus, Notar und Anwalt,
Auch der alte Oberförster.
(Der nur des Decorums halber,
Denn mit Prozession und Kirche
Stand er nicht auf bestem Fuße,
Betet’ lieber drauß im Walde.)
Selbst der Weibel und Gerichtsbot’
Saßen heut zu dieser Stunde
Nicht bei dem gewohnten Frühtrunk,
Sondern gingen ernst im Zuge.
Dann im dunkeln span’schen Mantel,
Dran das weiße Kreuz erglänzte,
Schritten die Deutsch-Ordensherren,
Commenthur und Rittersmänner.
Drauß in Beuggen stand am Rhein das
Wohlbewehrte Haus des Ordens,
Und in früher Morgenstunde
Waren sie heraufgeritten.
Drauf die schwarzen, ernsten, alten
Edeldamen aus dem Hochstift;
Voraus bei der blauen Fahne
Ging die greise Fürstabtissin,
Und sie dachte: Fridoline,
Bist ein lieber, guter Heil’ger,
Eins doch kannst mir nimmer bringen,
Eins: die goldne Zeit der Jugend.
Süß war’s einst vor fünfzig Jahren,
Als die Wang’ wie Rosen blühte,
Und im Spinngeweb der Blicke
Manch ein Edelmann blieb hangen!
Lang schon tu’ ich dafür Buße
Und ich hoff’, es ist vergeben.
Runzeln furchen itzt die Stirne,
Welk die Wangen, welk die Lippe,
Und im Munde klafft die Zahnluck.
An der Edeldamen Reihe
Schlossen sich die Bürgerfrauen,
Schloß der Zug sich der Matronen.
Eine nur, im Werktagskleide
Mußte seitab stehn vom Zuge,
’s war die Wirtin aus der alten
Herberg’ zu dem »güldnen Knopfe«,
Also wollt’s der strenge Festbrauch.
Dort – so meldet uns die Sage –
Stand schon in den Heidenzeiten
Eine Herberg’ – Fridolin auch,
Als zuerst er auf die Insel
Seinen Fuß setzt’, sucht’ dort Obdach.
Doch es war der Wirt ein grober
Heide – sprach zum heil’gen Manne:
Kann die Missionär nicht brauchen,
Die die alten Götter schmähen
Und gewöhnlich keinen roten
Heller in der Tasche haben –
Hebt Euch fort von meiner Schwelle!«
Fridolinus, dessen Kasse
Wirklich äußerst schmal bestellt war,
Mußt’ in hoher Linde Schatten,
Mußte drauß im freien Felde
Nachtruh’ halten – doch die Engel
Dachten seiner und frühmorgens
War die leere Reisetasch’ ihm
Voll von güldenen Denaren.
Wieder ging der heil’ge Mann zur
Ungastlichen Heidenherberg’,
Nahm ein Mahl und zahlt’ in blanker
Münze, was der Wirt ihm fordert,
Ließ beschämend auch zurück als
Trinkgeld sieben Goldschillinge.
Drum zur ew’gen Warnung für solch
Mitleidlose Herbergsväter
Darf auch nach Jahrhunderten noch
Aus dem güldnen Knopfe keiner
Mit des Heil’gen Prozession gehn. –
– Wie des Feldes junge Blumen
Froh bei dürren Stoppeln blühen,
Also schritt bei den Matronen
Dann der Jungfraun holde Schar,
Schritt heran im weißen Festkleid.
Manch ein Alter dachte, wie sie
Jugendschön vorüberzogen:
Hüte, hüte deine Augen!
Diese Schar ist so gefährlich
Wie ein Schwedenregiment.
Ein Madonnabildnis trugen
Sie voraus, es war geschmückt mit
Purpurschwerem Samtgewande,
Das als Weihgeschenk zum Danke
Für des Kriegs Beendigung
Sie dem Bild einst dargebracht.
Als die vierte in der Reihe
Schritt ein schlankes blondes Fräulein,
Veilchenstrauß im Lockenhaare,
Drüber wallt’ der weiße Schleier,
Und er deckte halb ihr Antlitz
Wie ein Winterreif’, der auf der
Jungen Rosenknospe glänzet.
Mit gesenktem Blicke schritt sie
Jetzt vorüber an jung Werner.
Der ersah sie – war’s die Sonne,
Die sein Auge jäh geblendet?
War’s der blonden Jungfrau Anmut?
Viele zogen noch vorüber,
Doch er schaute festgebannt nur
Nach der vierten in der Reihe,
Schaut’ – und schaute –, als der Zug schon
In die Seitenstraße einbog,
Schaut’ er noch, als müßt’ die vierte
In der Reihe er erspähn. – –
– »Den Mann hat’s!« so nennt der Sprachbrauch
Dortlands jenen Zustand, wo der
Liebe Zauber uns gepackt hat;
Denn der Mensch nicht hat die Liebe,
Nein – er ist von ihr besessen.
Sieh dich vor, mein junger Werner!
Freud’ und Leiden birgt das Wörtlein:
»Den Mann hat’s!« – Nichts sag’ ich weiter.
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