Ïðî÷èòàíèé : 196
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Òâîð÷³ñòü |
Á³îãðàô³ÿ |
Êðèòèêà
Der Trompeter von Säkkingen 4. Stück
Jubel herrschte drin im Städtlein,
Und die in der Früh einmütig
Mit des Heil’gen Festzug gingen,
Saßen jetzo gleich einmütig
Bei dem Weine oder bei dem
Schäumend goldnen Gerstensaft.
Pfropfen sprangen, Becher klangen
Und manch ungeheurer Humpen
Ward zu Ehren Fridolini
Von den Herrn hinabgestürzt;
Schmunzelnd überschaut’ der Wirt die
Zahl der leergetrunknen Fäßlein,
Und mit andächtigem Blicke
Kreidet er sie an die Tafel.
Draußen bei dem Tore, wo der
Bauersmann die Einkehr nimmt,
Klang Musik, die Fiedel streichend
Saß dort mit gekreuzten Beinen
Schwefelhanns, der alte Geiger,
Und in ungefügem Tanze
Schwang die Dirn der blonde starke
Hauensteiner Bauernjüngling.
Dröhnen knarrte oft der Boden
Ob dem plumpen Fußgestampfe,
Und der Kalk fiel von den Wänden,
Also mächtig klang ihr Jauchzen.
Naserümpfend sah’s von weitem
Manch neugierig schmuckes Stadtkind,
Und doch dacht’s im Herzensgrunde:
Lieber grob als gar nicht tanzen!
Die gesetzten Mannen saßen
Fern vom Tanze in der Zechstub’;
Und wie einstmals ihre Ahnen
Sich den Wodansjulrausch tranken,
Tranken, zäh histor’schen Sinnes,
Sie den Fridolinusbrand itzt.
Traurig zupft die treue Gattin
Manchen an dem breiten Rockschoß,
Wenn der zweite, wenn der dritte
Harte Taler auf dem Tisch klingt,
Aber ruhig spricht der Ehherr:
»Teures Weib, gebiete deinen
Tränen, heut muß alles hin sein!«
Und er wankt nicht, bis der späte
Wächter mit der Hellebarde
Ihm den Feierabend ansagt.
Dann erst bös im Zickzack schreitet
Er hinauf zu seinen Bergen,
Und die Mitternacht schaut manchen
Jähen Sturz im Tannenwald;
Doch sie deckt’s mit gnäd’gem Grauen,
Deckt auch gnädig zu die Schläge,
Die zum Schluß des hohen Festtags
Auf der Ehfrau Rücken hageln.
– Einsam, seitab von dem Lärmen
Schritt jung Werner – unwillkürlich
Trieb’s hinaus ihn an den Rheinstrand.
Ihn umschwebte noch das blonde
Süße, milde Jungfraunantlitz,
Und es schien ihm wie ein Traum, daß
Er es früh leibhaftig schaute. –
Heiß die Stirne – seine Augen
Schweiften unstet bald zum Himmel,
Bald auch senkten sie demütig
Fragend sich zur Erde nieder,
Und er achtet’ nicht des Nordwinds,
Der die Locken ihm durchwühlte.
In dem Herzen jagten sich in
Wilder Flucht die Glutgedanken
Gleich dem Nebel, der in seltsam
Buntem Wechsel der Gestalten
Herbstlich um die Berge spielt,
Und es klang und sproßt’ und wogte
Wie die ersten Keime eines
Unvollendeten Gedichtes.
Also einst, vor grauen Jahren,
Schritt am Arnostrand ein ander
Menschenkind, bewegt und sinnend.
Er auch ein Trompeter, doch ein
Düstrer, der des Weltgerichtes
Gellende Posaunentöne
Durch die faule Zeit geblasen.
Aber damals, an dem Festtag,
Als zuerst er sie erschaute,
Die ihm Leitstern seines Lebens,
Führerin zum Paradies ward:
Trieb’s auch ihn hinaus zum Strome.
Unter Eich’ und Myrten schritt er,
Und für alles, was im tiefsten
Grund der Seele klang und jauchzte,
Fand er nur ein einzig Wörtlein:Beatrice! Beatrice!Und so werden einst nach tausend
Und nach abertausend Jahren
Andre – von der Lieb’ durchschüttert –
Träumerisch den gleichen Gang gehn.
Und wenn einst am Rhein der letzte
Sproß germanischen Geblütes
Heimgegangen zu den Vätern,
Wandeln andre dort und schwärmen,
Und in weichen, fremden Lauten
Sprechen sie das Wort: Ich lieb’ dich!
Kennt die Männer ihr? – sie haben
Etwas plattgedrückte Nasen,
Ihre Ahnherrn trinken jetzo
Fern am Aral und am Irtisch
Zukunftssicher ihren Branntwein. – –
Junge Liebe, schmucke Perle,
Balsam kranken Menschenherzens,
Anker schwanken Lebensschiffleins,
Immergrün auf dürrem Flugsand:
Nimmer wag ich’s, dir zum Preise
Einen neuen Sang zu singen.
Ach, ich bin ein Epigone,
Und vielhundert tapfre Männer
Lebten schon vor Agamemnon,
Und ich kenn’ den König Salom’
Und die schlechten deutschen Dichter.
Dankbar schüchtern nur gedenk’ ich
Dein und deines stillen Zaubers.
Er durchglänzt mit dürrem Schein der
Jugend Nebel, zeigt dem Auge
Klar und scharf des Lebens Umriß,
Zeigt, wohin den Schritt zu lenken,
Und erwärmt das Herz zur Wandrung.
Leises Sehnen, stolzes Hoffen,
Trotz’gen Mut und kühnes Denken:
Alles danken wir der Liebe;
Ihr den heitern Sinn auch, dran wir
Wie am Bergstock leicht so manchen
Klotz am Wege überspringen.
Glücklich drum der Mann, in dessen
Herz die Liebe jauchzend einzog.
Doch jung Werner schien sich heute
Noch nicht klar darüber, was er
Eigentlich am Rhein hier treibe.
Träumend schritt er durch den Sand hin
Sonder Schonung seiner Stiefel,
Die der Wellenschaum durchnetzte.
Ihn erblickte in dem Grunde
Just der Rhein, der dort dem Zweikampf
Zweier alter Krebse zusah
Und mit schallendem Gelächter
Beifall nickte, wenn in Wut sie
Ihre scharfen Scheren kreuzten.
Ja der Rhein, – er ist ein schöner
Junger Mann, er ist durchaus kein
Geographischer Begriff nur, –
Der erbarmte sich jung Werners,
Rauschend stieg er aus den Fluten,
Einen Schilfkranz in den Locken,
Einen Schilfstab in der Rechten.
Ihn erkannte Meister Werner,
Dem, als Sonntagskind, vergönnt war,
Mehr zu schauen als manch andrer,
Und er grüßte ihn respektvoll.
Lächelnd sprach zu ihm der Rhein drauf:
»Fürcht’ dich nicht, mein junger Träumer,
Denn ich weiß, wo dich der Schuh drückt.
Komisch seid ihr doch, ihr Menschen,
Glaubt, ihr tragt ein still Geheimnis
Durch die Welt und schwärmet einsam,
Und es sieht’s ein jeder Käfer,
Sieht’s die Mücke, sieht’s die Schnake,
Sieht’s an eurer heißen Stirne,
Sieht’s an eurem feuchten Blicke,
Daß die Lieb’ in euch gefahren.
Fürcht’ dich nicht, ich kenn’ die Liebe; –
Hab’ auf meinen Wasserfahrten
Manchen falschen, manchen echten
Treuschwur in roman’scher, deutscher,
Wie holländ’scher Zung vernommen,
(Letztre waren meist sehr nüchtern)
Habe nächtlich auch am Ufer
Manch ein Kosen, manch ein Küssen
Schon erlauscht und hab’ geschwiegen,
Nahm auch manchen armen Teufel,
Den der Kummer tief ins Herz biß,
Tröstend auf in meinen Fluten;
Und die Wasserfrauen sangen
Ihm ein Schlummerlied, – und sorgsam
Trug ich ihn an ferne Ufer,
Unter Weiden, unter Schilfrohr,
Fern von allen bösen Zungen,
Ruht sich’s sanft von falscher Liebe.
Manchen hab’ ich so bestattet,
Manchen auch im kühlren Grunde,
Im kristallnen Wasserschlosse
Gut beherbergt, daß er nimmer
Sich nach Menschen seht und Rückkehr.
Fürcht’ dich nicht, ich kenn’ die Liebe.
Wird mir’s selber doch noch immer
Eng ums Herz, wenn ich des Schwarzwalds
Berge grüß’ – und jubelnd stürz’ ich
Über die Schaffhauser Felsen,
Schlag’ mich mutig, wellenschäumend
Durch die Laufenburger Enge,
Denn ich weiß, bald eilt mein liebes
Schwarzwaldkind, die junge Wiese,
Still verschämt mir in die Arme,
Und sie plaudert mir in rauher
Alemann’scher Sprach’ vom Feldberg,
Von den mitternächt’gen Geistern,
Von Bergblumen, von den großen
Hauben und vom Durst in Schopfheim.
Und ich lieb’ sie, nimmer schau’ ich
Satt mich an den blauen Augen,
Und ich lieb’ sie, nimmer küss’ ich
Satt mich an den roten Wangen.
Oft renn’ ich wie du, ein Träumer,
Wirr vorbei am alten Basel,
Ärgre mich an den langweil’gen
Steifen Ratsherrn, ruinier’ auch
Im Vorbeigehn ein Stück Mauer,
Und sie glauben, es sei Zorn, was
Doch nur Übermut der Liebe.
Ja, ich lieb’ sie – es verfolgen
Mich viel andre schöne Damen,
Keine – selber nicht die stolze
Weinesreiche Mosel tilgt mir
Die Erinn’rung an die schmucke
Feldbergstochter, an die Wiese.
Und wenn ich im Sand von Holland
Müd’ die müden Wellen schleppe
Und die Windmühl’ trocken klappert,
Überfliegt mich’s oft wie süßes
Heimweh nach der Jugendliebe.
Und es tönt mein dumpfes Rauschen
Weithin durch die kahlen Felder,
Weithinaus bis in die Nordsee,
Aber keiner dort versteht mich.
Fürcht’ dich nicht, ich kenn’ die Liebe,
Und ich kenn’ euch, deutsche Träumer,
Die an meinen Ufern wohnen.
Bin ich selbst doch euer Abbild,
Und des deutschen Volks Geschichte,
Sturm und Drang und bitt’res Ende
Steht in meinem Lauf geschrieben.
Ich auch komm’ aus märchenhafter
Heimat, – fremde Alpengeister,
Stehn an eiskristallner Wieg’ mir
Und geleiten mich ans Tagslicht.
Stark und wild ist meine Kindheit,
Und wer zählt die Felsenblöcke,
Die ich brausend dort zerschmettre
Und emporwerf’ wie ein Ballspiel?
Frisch und flott durchschwimm’ ich dann das
Schwäb’sche Meer und unversehret
Trag’ ich meine stolze Jugend
Weiter in die deutschen Gau’n.
Und noch einmal steigt die ganze
Duftumhauchte Stromromantik
Vor mir auf, – die alten Träume
Kehren süß verkläret wieder:
Schaum und Brandung, feste Städte,
Burg und Fels und stilles Kloster,
Und die Rebe reift am Hügel,
Und der Wächter grüßt vom Turme,
Und die Wimpel flattern lustig,
Und von hoher Klippe tönet
Wundersam der Lurley Singen.
Aber dann geht’s schnell zu Ende,
Und ich klag’ ob dem Verlornen
Und ergebe mich dem Trunke,
Bete auch zu Köln im Dome,
Und zuletzt werd’ ich ein Lasttier,
Schäb’gen Krämern muß ich dienen,
Auf dem vielgeprüften Rücken
Schwimmt das niederländ’sche Treckschuyt,
Und im Sand, den ich so tödlich
Hasse, schlepp’ ich müd’ mein Dasein,
Und ich bin schon lang gestorben,
Eh’ das Meeresgrab mich aufnimmt.
Hüt’ dich, hüt’ dich vor Versandung!
Ja, ich könnt’ noch viel erzählen,
Guter Laune bin ich heute,
Und ich lieb’ die jungen Burschen,
Die wie du und wie ich selbst hier
Frisch noch in die Zukunft schaun.
Drum soll auch mit einem guten
Rat die lange Standred’ schließen.
Weiß, das bitter du verliebt bist;
Hör’s: dein Lieb heißt Margareta,
Ist des Freiherrn schöne Tochter,
Dessen Schloß dort hell erglänzend
Sich in meinen Fluten spiegelt.
Oft erseh’ ich auf dem Söller
Dort die Jungfrau – und ich freu’ mich,
Trag’ auch dich gern in die Nähe.
Dort der Kahn – und dort das Ruder!
Alles Weitre überlaß ich
Billig deiner eignen Weisheit.«
Sprach’s und schüttelte die Locken,
Und hinab zum Grunde taucht’ er.
Zischend schlug die Wogenbrandung
Über seinem Haupt zusammen,
Und von fern noch tönt sein Lachen,
Denn inzwischen war der Krebskampf
Ernst beendigt, einer lag im
Blut, dem andern fehlt’ ein Schwanzstück.
Werner tat, wie ihm geraten.
Stand ein alter Turm beim Ufer
Quaderfest im Wassergrunde;
Dort, wo durch verstohlen Pförtlein
Niedersteigt zum Strand der Fischer,
War in lauschig stiller Rheinbucht
Kahn und Ruder in Bereitschaft.
Heute feierte der Bootsmann,
Und ohn’ Anfrag’ mocht jung Werner
Heut entführen ihm das Fahrzeug.
Abend war’s inzwischen worden,
Da und dort klang von den Bergen
Hell und scharf ein einzeln Jauchzen,
Zeichen trunkner Bauernheimkehr.
Jenseits ferner Tannenwälder
Sah der Mond ins Tal hernieder,
Und die ersten Sternlein zeigten
Schüchtern sich am Himmelsfeld.
Ab vom Strande stieß jung Werner.
Wie ein Roß, das lang verschlossen
In dem Stall, sich freudig aufbäumt,
Freudig wiehernd, daß es seinen
Herrn ins Weite tragen darf,
So sprang keck und windschnell auf dem
Glatten Wasserpfad das Schifflein;
Sprang in hellem Lauf vorüber
An des Städtleins Mauerzinnen,
Sprang hinab zur alten Rheinbrück,
Die die holzverdeckten Bogen
Kühn zum andern Ufer spannt.
Unterm dritten Pfeiler steuert’
Mutig durch der junge Schiffsmann,
Lachend als zum Schabernack den
Kahn der Strudel wirbelnd packte,
Dreimal hob und dreimal senkte.
Bald erschaute er des Schlosses
Hohe Giebel, Erkertürme
Mondumschienen, durch des Gartens
Mächtige Kastanien glänzen,
Gegenüber ragte niedrig
Aus den Fluten eine Kiesbank –
Unbewachsen – oftmals gänzlich
Überflutet sie die Strömung,
Scherzend heißt der Mann im Rheintal
Sie den Acker Fridolini.
Dorthin trieb der schwanke Kahn jetzt.
Dorten hielt er – auf den spitzen
Kieselboden sprang jung Werner,
Und die Blicke hielten Umschau,
Fragend, ob er Sie erspähe.
Nichts erschaut’ er – als im fernen
Erkerturm ein fernes Lichtlein;
Aber dies schon war genug ihm.
O wie oft erquickt im Leben
Mächt’ger uns ein ferner Schein, als
Reiche Fülle des Besitzes,
Und es gönnet ihm das Lied drum
Seine Freud’, aus Rheines Mitten
Aufzuschauen nach dem Lichtlein.
Vor dem traumumflorten Blicke
Lag ein neues reiches Leben,
Sonn’ nicht glänzt, nicht Sterne drinnen,
Nur das eine kleine Lichtlein,
Und vom Turm, worin es brannte,
Kam mit leisem Flügelschlag die
Lieb’ zu ihm herabgerauschet
Und saß bei ihm auf der Kiesbank,
Auf dem Acker Fridolini.
Und sie reicht’ ihm die Trompete,
Die auch hieher ihn begleitet,
Und sprach: Blase, blase, blase!
Also blies er, und sein Blasen
Zog melodisch durch die Nacht hin.
Lauschend hört’s der Rhein im Grunde,
Lauschend Hecht und Lachsforelle,
Lauschend auch die Wasserfrauen,
Und der Nordwind trug die Klänge
Sorgsam auf zum Herrenschloß.
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