Ïðî÷èòàíèé : 214
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Êðèòèêà
Der Trompeter von Säkkingen 5. Stück
Jetzt mein Lied, nimm dich zusammen!
Zu dem Freiherrn führt der Pfad dich
Und zu seiner holden Tochter.
Halt dich g’rad und fein und artig,
Denn ein alter Reiter-Obrist
Macht mit dir und deinesgleichen
Nicht viel Umständ’ – ja er könnte
Dich zur Trepp’ hinunterwerfen,
Die ist glatt und vielgestufet,
Und das möchte dich beschäd’gen.
Steigt hinauf, mein Lied, zum mächt’gen
Schloßportal, – in Stein gehauen
Stehn im Wappenfeld drei Kugeln,
Wie sie auch die Medicäer
Zu Florenz im Schilde führten, –
Des Bewohners Adel kündend.
Steig’ die breiten Sandsteinstufen,
Anklopf’ an der hohen Saaltür
Und tritt ein und gib Bericht uns,
Was du schalkhaft dort erlauscht.
Dort im hohen Rittersaale,
Wo der Wände Holzvertäflung
Mit verstäubten Ahnenbildern
Mannigfach geschmücket war,
Saß behaglich in dem Lehnstuhl,
Bei dem lustig lohen Feuer
Des Kamins der alte Freiherr.
Grau schon war sein langer Schnurrbart,
Zu der Narb’, die auf die Stirn einst
Ihn ’ne schwed’sche Reiterklinge
Eingezeichnet, war vom Alter
Manche Furche schon gezogen,
Und es hat ein schlimmer Gast sich
In des Freiherrn linkem Fuße
Unberufen eingenistet.
Zipperlein nennt man’s gewöhnlich,
Doch so einer es gelehrter
Podagra benamsen möchte,
Hab’ ich nichts dawider – seine
Stiche stechen drum nicht minder.
Heut war’s ziemlich zahm, nur selten
Wollt’ es mächtiger rumoren,
Und dann sprach der Freiherr lächelnd:
»Donnerwetter! in dem langen
Bösen Dreißigjähr’gen Kriege
Hat sogar das Zipperlein
Von der Kriegskunst was gelernt.
Regelrecht beginnt’s den Angriff
Und schickt erst die Tirailleure
Plänkelnd vorwärts, dann mobile
Streifkolonnen – mög’ der Teufel
Die Rekognoszierung holen! –
Aber nicht genug – als säße
Mir im Herzen eine Festung,
Brummt’s als wie Kartaunengrüße,
Zuckt’s, als würde Sturm gelaufen,
Piff! paff! ich kapituliere.«
Jetzt gerad’ war Waffenstillstand
Eingetreten – und behaglich
Saß der Freiherr – aus dem Steinkrug
Einschenkt er den großen Humpen.
Dort bei Hallau, wo die letzten
Hügel von dem hohen Randen
Sich zum Rhein herniedersenken,
Wo der Winzer bei der Arbeit
Fernher des Schaffhauser Falles
Stromgewaltig Rauschen hört:
Hatte liebevoll die Sonne
Ausgekocht den würz’gen Rotwein
Den der tapfre Freiherr stets als
Vespertrunk zu schlürfen pflegte.
Zu dem Weine aber blies er
Schwere Wolken schweren Tabaks;
In schmucklosem, rotem Tonkopf
Brannte das fremdländ’sche Rauchkraut,
Und er schmauchte es aus langem,
Dunkelm, duft’gem Weichselrohr.
Zu des Freiherrn Füßen streckte
Zierlich sich der biedre Kater
Hiddigeigei mit dem schwarzen
Samtfell mit dem mächt’gen Schweif.
’s war ein Erbstück seiner teuern
Frühverblichnen stolzen Gattin
Leanor Montfort du Plessys.
Fern in Ungarn war die Heimat
Hiddigeigeis; ihn gebar die
Mutter aus Angoras Stamme
Einem wilden Pußta Kater.
Aber nach dem Seinestrande
Sandt’, als Zeichen seiner Achtung,
Ihn ein ung’rischer Verehrer,
Der sich fern in Debreczin noch
An Lenorens blaue Augen
Und des Elternschlosses Ratten
Ehrfurchtsvoll erinnerte.
Mit der stolzen Leanor’ zog
Hiddigeigei nach dem Rheine
Treu als Haustier; etwas einsam
Spann er seines Daseins Fäden,
Denn er haßte die Gemeinschaft
Mit dem deutschen Katzenvolk.
»Zwar sie mögen« – also dacht’ in
Stolzem Katerselbstgefühl er,
»Guten Herzens sein und einen
Fond besitzen von Gemüte,
Doch es fehlt an gutem Tone,
Fehlt an Bildung, an Tournüre
Gänzlich diesen ordinären
Autochthon’schen Waldstadtkatzen.
Wer die ersten Katersporen
Zu Paris verdient, wer einstens
Im Quartiere von Montfaucon
Auf die Rattenjagd gegangen,
Dem gebricht’s in diesem Städtlein
Leider ganz an geistverwandten
Elementen für den Umgang.«
Isoliert drum, aber würdig,
Würdig stets und ernst gemessen
Lebt er hier im Herrenhaus.
Zierlich schlich er durch die Säle,
Tief melodisch war sein Schnurren,
Und im Zorn selbst, wenn er keifend
Seinen Buckel aufwärts krümmte,
Seine Haare rückwärts sträubte,
Wußt’ er immer noch die Anmut
Mit der Würde zu verbinden.
Doch wenn über Dach und Giebel
Leise kletternd er verwegen
Auszog auf die Mäusejagd;
Wenn geheimnisvoll im Mondlicht
Seine grünen Augen blitzten:
Dann vor allen groß, dann wahrhaft
Imposant war Hiddigeigei.
Bei dem Kater saß der Freiherr.
In den Augen zuckt es oft ihm
Wie ein Blitz – oft wie ein milder
Strahl der untergehnden Sonne,
Und er dacht’ an alte Zeiten.
Ist es doch des Alters bestes
Labsal, wie von hoher Warte
Rückzuschaun ins ferne Ehmals.
Und der Greis ist nie alleine.
Ihn umschweben langgestorbne
Scharen in vergilbten Wämsern,
In altmod’schem Prachtgewand.
Doch den Moder tilgt Erinn’rung;
Um die Schädel schlingt sich wieder
Jugendfrische, alte Schönheit,
Und sie plaudern von verklungnen
Tagen, und des Greisen Herz pocht,
Und die Faust ballt oft sich krampfhaft.
Wieder schaut er vom Balkone
Grüßend sie herniederwinken,
Wieder blasen die Trompeten,
Und der schwarze Renner trägt ihn
Wiehernd in das Schlachtenwetter.* * *Wohlgemut hielt so der Freiherr
Der Erinn’rung große Heerschau,
Und wenn oftmals seine Rechte
Jäh zum Humpen fuhr und einen
Starken Schluck der Alte stürzte,
Mocht’ ihm wohl ein teures schönes
Bildnis vor die Seele treten;
Oft auch schien an minder Wertem
Sein Gedächtnis anzuhaften,
Denn, des äußern Grunds entbehrend,
Fuhr zuweil’ auf Hiddigeigeis
Rücken ein gewalt’ger Fußtritt,
Und der Kater fand es rätlich,
Seinen Ruhplatz zu verändern.
In den Saal kam leicht geschritten
Jetzt des Freiherrn holde Tochter
Margareta, – und beifällig
Nickt’ der Alte, wie sie eintrat.
Hiddigeigeis Dulderantlitz
Strahlte gleichfalls katzenfreudig.
Mit dem schwarzen Samtgewand war
Jetzt vertauscht das weiße Festkleid,
In den blondgelockten Haaren
Schnippisch saß die schwarze Schnepphaub’,
Und hausmütterlich sah drunter
In die Welt ihr blaues Aug’ vor.
Von dem Gürtel hing gewichtig
Schlüsselband und ledern Täschlein,
Deutscher Hausfrau Ehrenzeichen.
Und sie küßt’ des Freiherrn Stirne
Und sprach: »Väterchen, nicht zürnet,
Daß ich lang Euch heut allein ließ.
Drüben hielt mich lang im Stift die
Gnädige Frau Fürstabtissin,
Und sie sagte mir viel Schönes,
Sprach belehrend auch vom Alter
Und vom Zahn der Zeit und anderm,
Und der Herr Komtur von Beuggen
Sprach so süß, als hätt’ die Worte
Er erkauft beim Zuckerbäcker,
Und ich freut’ mich, als ich loskam.
Eurer hochgestrengen Winke
Bin ich jetzo hier gewärtig;
Bin erbötig, aus dem großen
Theuerdank Euch vorzulesen,
Denn ich weiß, Ihr liebt die plumpen
Abenteu’r und Jagdgeschichten
Mehr als die empfindsam süßen
Schäferdichter des Jahrhunderts.
Doch warum müßt Ihr denn immer,
Väterchen, von diesem leidig
Giftigen Tabake rauchen?
Hab’ schier Furcht, wenn Ihr so dasitzt,
Tief in Wolken eingehüllt,
Wie der Eggberg in dem Nebel,
Und mich dauern stets die güldnen
Bilderrahmen an der Wand dort
Und der Glanz des weißen Vorhangs.
Hört Ihr nicht ihr leises Klagen,
Daß vom Dampf aus Eurer Tonpfeif’
Rußig, blaß und grau sie werden?
s’ mag ein wunderschönes Land sein,
Das Amerika, das einst der
Span’sche Admiral entdeckte,
Und ich selber freu mich an den
Buntgescheckten Papageien
Und den purpurnen Korallen,
Träum’ zuweilen auch von hohen
Palmenwäldern, stillen Hütten,
Großen Blumen, Kokosnüssen
Und von bösen wilden Affen.
Beinah wünscht’ ich doch, es läge
Unentdeckt im stillen Meer noch
Um des leid’gen Rauchkrauts willen,
Das von dort zu uns gekommen.
Gern verzeih’ ich einem Manne,
Wenn er oft und mehr als nötig
Sich den Rotwein aus dem Faß zapft,
Könnt’ im Notfall selbst mit einer
Roten Nase mich versöhnen,
Niemals mit dem Tabakrauchen.«
Lächelnd hört’ das Wort der Freiherr,
Lächelnd blies er neue Wolken
Aus der Tonpfeif’ und erwidert’:
»Teures Kind, ihr Frauenzimmer
Sprecht so leicht in Tag von vielem,
Des Verständnis euch ganz abgeht.
Zwar es hat ein Kriegsmann manche
Bitterböse Angewohnheit,
Die nicht in den Frauensaal paßt;
Doch mit Unrecht schilt das Rauchen
Meine Tochter, dank’ ich ihm doch
Die Gemahlin und den Hausstand.
Und dieweil mir heut manch alte
Kriegsgeschichte durch den Kopf brummt,
Setz zu mir dich – statt des Lesens
Will ich selbst dir ’was erzählen
Von dem Kraut, das du gescholten,
Und von deiner sel’gen Mutter.«
Zweifelnd sah ihn Margareta
Mit dem großen blauen Aug’ an,
Nahm zur Hand die Stickerei, die
Bunten Wollknäul und die Nadel,
Rückt’ den Schemel zu des Alten
Lehnstuhl, und sie setzt’ anmutig
Sich zur Seit’ ihm. So im Walde
Rankt beim knorrig alten Eichbaum
Jugendschön die wilde Rose.
Doch der Freiherr leert’ mit festem
Zug den Humpen und erzählte:
»Als der böse Krieg im Land war,
Streift ich einst mit wenig deutschen
Reitern in dem Elsaß drüben;
Hans von Weerth war unser Obrist.
Schwed’ und Franzmann lag vor Breisach,
Von manch tapferm Reiterstücklein
Machten wir ihr Lager sprechen.
Doch viel Hunde sind des Hasen
Tod, – auf einer wilden Hetzjagd
Hatte sich der ganze große
Helle Hauf’ an uns verbissen,
Und aus mancher Wunde blutend
Mußten wir die Säbel strecken.
Kriegsgefangen transportierte
Der Franzos uns nach Paris, dann
In den Käfig von Vincennes.
Tod und Teufel! sprach der tapfre
Hans von Weerth, ’s war doch einst lust’ger,
Im Galopp, mit blankem Pallasch
Zur Attacke anzusprengen,
Als hier, auf der Pritsche liegend,
Mit der Langweil’ zu turnei’n;
Gegen die hilft keine Waffe,
Selbst nicht Wein und Würfelbecher,
Nur der Tabak, – hab’s erprobet
Im gelobten Land der Langweil’,
Bei den Mynheers, – ’s wird auch hier uns
Guten Dienst tun, laßt uns rauchen!
Sprach’s – der Kommandant der Festung
Schafft’ von niederländ’schem Krämer
Uns ein Faß Varinasknaster,
Schafft’ uns auch gebrannte Pfeifen.
In der Zell’ der Kriegsgefangnen
Anhub bald ein ungeheures
Qualmen, Dampfen, Wolkenblasen,
Wie’s in dem galanten Frankreich
Noch kein sterblich Aug’ gesehn.
Staunend sahen’s unsre Wächter,
Und die Kunde kam zum König,
Und der König kam höchstselber,
Anzuschaun das blaue Wunder.
Bald erzählte ganz Paris sich
Von den wilden deutschen Bären
Und von ihrer unerhörten
Wundersamen Kunst des Rauchens.
Wagen fuhren, Pagen sprangen,
Kavalier’ und stolze Damen
Kamen in die enge Wachtstub’,
Und auch sie kam, sie die stolze
Leanor Montfort du Plessys,
Heut noch seh’ ich sie den zarten
Fuß auf unsern Estrich setzen,
Hör’ die Atlasschleppe rauschen.
Und es schlug mein Reiterherz, als
Ging’s ins helle Schlachtgewühl;
Wie der Dampf der Feldgeschütze
Flog der Rauch aus meiner Tonpfeif’,
Und ’s war gut so. Auf den Wölklein
Die ich angesichts der Stolzen
Keck emporblies, saß Gott Amor,
Lustig schoß er seine Pfeile,
Und er wußte gut zu treffen;
Aus der Neugier wurde Teilnahm’,
Aus der Teilnahm’ wurde Liebe,
Und der deutsche Bär erschien ihr
Feiner bald und edler als die
Sämtlichen Pariser Löwen.
Doch ich selber, als die Pforte
Unsrer Kriegshaft aufging und der
Herold uns die Freiheit brachte,
War erst recht itzt ein Gefangner,
Lag in Leanorens Banden
Und verblieb drin, auch die Hochzeit,
Die uns glücklich bald zum Rhein führt’,
Hat sie enger nur geschlungen.
Denk’ ich dran, schier will die Träne
In den grauen Schnurrbart rollen.
Und was blieb von all der Pracht mir?
Die Erinnerung, der alte
Schwarze Kater Hiddigeigei
Und das Ebenbild Lenorens,
Du, mein Kind – Gott hab’ sie selig.«
Sprach’s und klopfte seine Pfeif’ aus,
Streichelte den schwarzen Kater,
Doch das Töchterlein tat schalkhaft
Einen Fußfall vor dem Alten
Und sprach: »Väterchen, gebt gnädig
Einen Generalpardon mir,
’s soll kein Sterbenswörtlein über
Meine Zung’ hinfüro kommen
In betreff des bösen Rauchens.«
Huldvoll lächelte der Freiherr.
Sprach: »Du hat auch ob des Weintrunks
Stichelreden dir erlaubt, ich
Hätt’ schier Lust, dir zur Belehrung
Noch ein anderweitig Stücklein
Zu erzählen, wie zu Rheinau,
Bei dem Fürstabt in dem Kloster,
Ich einst in Hallauer Weine
Einen schweren Strauß bestand.
Doch – –« der Freiherr hielt und schaute
Nach dem Fenster: »Blitz und Donner!
Was ist das für ein Trompeten?«
Süß klang draußen durch die Märznacht
Werners Blasen zu dem Schloß auf,
Einlaß bittend, wie die Taube,
Die zurück zur Herrin fliegend
Ans verschlossne Fenster bittend
Mit dem Schnabel pickt und hämmert.
Zum Balkone trat der Freiherr,
Trat die Tochter, gravitätisch
Folgte beiden Hiddigeigei,
Ahnung zog durchs Katerherz ihm,
Ahnung großer künft’ger Dinge.
Und sie spähten – doch vergebens,
Denn des Schloßturms Schatten deckte
Den Trompeter und die Kiesbank.
Jauchzend doch wie Jagdhalali,
Schmetternd wie zum Reiterangriff,
Klang’s herauf noch zum Balkone;
Stille dann – ein dunkler Nachen
Schwamm auf dunkler Flut rheinaufwärts.
Rückwärts schritt der Freiherr – hastig
Zog die Glock’ er, rief den Diener
Anton. Anton kam gegangen.
»Schleunigst mach dich auf die Kundschaft,
Wer um diese Stund’ vom Rhein her
Ein Trompeterstück geblasen.
Ist’s ein Geist, so schlag drei Kreuze,
Ist’s ein Mensch, so grüß ihn artig
Und entbiet zu mir aufs Schloß ihn.
Hab’ ein Wort mit ihm zu sprechen.«
Militärisch grüßend machte
Rechtsumkehrt der treue Anton:
»Gnäd’ger Herr, ich werd’s bestellen.«
Schweigend senkte sich indessen
Mitternacht auf Tal und Städtlein,
Und zu Margareta kam ein
Sonderbarer Traum geflogen:
Wieder schritt im Festgewande
Sie zum Münster Fridolini,
Ging der Heil’ge ihr entgegen,
Hing ein Mann an seiner Seite,
Aber nicht der Tote, der ihm
Zum Gericht nach Glarus folgte:
’s war ein schlanker, schmucker Jüngling,
Sah schier aus wie ein Trompeter,
Und er grüßt’ sie ehrerbietig,
Lächelnd winkt’ Sankt Fridolin.
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