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Êðèòèêà
Der Trompeter von Säkkingen 6. Stück
Den Trompeter zu erspähen
Schritt des andern Morgens eiligst
Meister Anton durch das Städtlein.
Bei dem Münster Fridolini
Bog er in ein Nebengäßlein;
Von der andern Seite kam der
Schiffermartin scharfen Schrittes,
Und am Eckstein rannten beid’ in
Hartem Anprall aneinand’!
»Meiner Seel’,« sprach der getreue
Anton, und er rieb die Stirne:
»Ihr habt einen harten Schädel.«
»– Eurer scheint mir auch nicht ganz mit
Woll’ und Seegras auswattiert,«
War des Schiffermartins Antwort,
»Und was braucht am frühen Morgen
Ihr so durch die Stadt zu rennen?«
»– Dieses frag’ ich Euch,« sprach Anton.
»Ich such’ einen, der mir gestern
Meinen Kahn vom Ufer löste,«
Sprach zu ihm der Schiffermartin.
»– Glaub’, den such’ ich auch,« sprach Anton. –
»Wie ich heut ans Fischertor komm’,
Liegt mein Schifflein umgestülpt am
Ufer, – Ruder ist zersprungen
Und der Haltstrick ist entzwei.
Wenn doch ein Gewitter solches
Unnütz Volk zusammenschlüge,
Das bei Nacht und Nebel auf dem
Rhein in andrer Leute Schiff fährt.«
»Und Trompete bläst,« sprach Anton.
»Aber find’ ich ihn, so muß er
Mit mir vor den Bürgermeister;
Zahlen muß er; auch das blaue
Mal, das Ihr an Kopf mir ranntet,
Bring’ ich ihm in Rechnung; ’s ist ja
Schmählich, wie mich dieser Bursche
Durch die Stadt herumsprengt!« – Also
Schimpfend ging der Schiffer weiter.
»Ich seh’ auch nicht ein, warum ich
Mich so placken soll um einen
Unbekannten Ruhestörer,«
Sprach drauf Anton zu sich selber.
»’s scheint mir auch, ’s wär ungefähr die
Stund’ jetzt, wo sich ein vernünft’ger
Mann nach einem Frühtrunk umschaut.«
Zu des güldnen Knopfes kühler
Schenkstub’ wandt’ der treue Anton
Seinen Schritt, – durchs Seitenpförtlein
Schlich er ein, er hielt’s für besser,
Vor dem Aug’ der Welt solch frühe
Gäng’ ein wenig zu verdecken.
Manch ein Biedermann schon hatte
Sich geräuschlos eingefunden;
Bei den schäumend braunen Humpen
Prangt’s wie rote Frühlingsrosen,
Prangt’s wie zarter Monatrettich,
»Großes Glas?« so fragt’ die kluge
Kellnerin und Anton nickte:
»Allerdings! – ’s ist warm, ich hab’ heut
Früh beim Aufstehn schon so einen
Trocknen Zug im Hals verspürt.«
Also trank dort sein geschliffen
Großes böhmisch Glas der treue
Anton, überlegend, wie er
Weiter seinem Auftrag nachkomm’.
In der Herrenstube saß der
Wirt zum Knopf just mit jung Werner,
Hatt’ ein Stücklein roten Rauchlachs
Ihm zum Imbiß vorgesetzet
Und ein instruktiv Gespräch dann
Mit dem fremden Gast begonnen:
Wie der Weinherbst in der Pfalz sei,
Wie die Hopfenpreise stünden,
Wie die Kriegszeit dort gehaust.
Zwischenein auch warf er, um dem
Fremden auf den Zahn zu fühlen,
Schlau ein prüfend Wörtlein über
Stand, Beruf und Zweck der Reise.
Doch er kam nicht ganz ins klare,
Pfiffig dacht’ er bei sich selbst:
»’s ist kein Schreiber, dafür ist er
Zu soldatisch, – kein Soldat auch,
Dafür ist er zu bescheiden;
Glaub’ beinah’, ’s ist einer, der sich
Auf die Scheidekunst versteht,
Auf den Zauber Salomonis,
Golderzeugung, Stein der Weisen,
Wart, ich fang’ dich,« und er lenkt’ die
Rede auf vergrabne Schätz’ und
Mitternächtig Geisterbannen.
»Ja, mein Freund, und hier beim Städtlein
Liegt im Rheine eine Sandbank,
Dort aus Fridolini Zeiten
Ist versenkt ein großer Goldschatz.
Wer’s verstünd’, – von dort aus könnt’ ein
Kluger Mann sein Glück noch machen.«
»Kenn’ die Sandbank,« sprach jung Werner,
»Glaub’, ich bin im Mondschein gestern
Auf dem Rhein dorthin gefahren.«
»Was, Ihr kennt sie schon?« verwundert
Sprach’s der Knopfwirt, und er dachte:
»Hab’ ich dich?« und schaute fragend
Auf jung Werners Taschen, ob nicht
Sich von güldenen Denaren
Ein Geklingel drin erhöbe.
»Hab’ ich dich?« so sprach inzwischen
Fröhlich auch der treue Anton.
»’s ist doch gut, wenn man zu rechter
Zeit sich einen Frühtrunk beilegt.«
Von dem Platz, wo er gesessen,
Hatt’ er das Gespräch erlauschet,
Und zum Überfluß ersah er
Bei des Fremden Hut und Degen
Die Trompete auf dem Tisch.
Zu den beiden trat er ernsthaft:
»Mit Verlaub, so Ihr kein Geist seid,
– Und das scheint mir nicht, dieweil Euch
Euer Frühstück baß behagt hat –
So läßt Euch der Freiherr auf sein
Schloß einladen, ich vermeld’ Euch
Seinen Gruß zugleich und werde
Mit Vergnügen Euch geleiten.«
Also sprach er. Halb erstaunet
Hört’s jung Werner, und er folgt’ ihm.
Schmunzelnd sprach zu sich der Knopfwirt:
»Weh’ geschrien, junges Herrlein!
Habt geglaubt, man könn’ so ohne
Weiteres auf dem Rhein vagieren
Und vergrabne Schätz’ aufspüren;
Aber Euch ersah der Freiherr,
Der wird Euch das Handwerk legen.
Weh’ geschrie’n, wenn der aus seiner
Vorratskammer ein paar alte
Eingesalzne Flüch’ hervorholt,
Wird der Kopf Euch auf den Schultern
Wackeln und die Ohren brausen.
Aber seht, wie Ihr zurecht kommt.
So er Euch etwann in Turm sperrt,
Halt ich mich an Euer Rößlein,
Dieses soll die Zeche decken.« –
Wiedrum saß im Rittersaal der
Freiherr mit der holden Tochter,
Wiedrum raucht’ er seine Pfeife,
Als die breite Flügeltüre
Aufging und bescheiden grüßend
Werner eintrat. – »Wenn Ihr wüßtet,«
Rief der treue Anton, »gnäd’ger
Herre, wenn Ihr wüßtet, was es
Müh’ gekostet, ihn zu finden!«
Prüfend ruht des Freiherrn Auge
Auf jung Werner, Mustrung haltend.
Bei dem Vater, an den Lehnstuhl
Sich anschmiegend, schaute schüchtern
Margareta nach dem Fremden,
Und bei beiden war des ersten
Flücht’gen Blicks Ergebnis günstig.
»Also Ihr seid’s, dessen Klänge
Gestern hier uns aufgestört?«
Sprach der Freiherr, »darum möcht’ ich
Jetzt mit Euch ein Wörtlein reden.«
– Das fängt gut an, dachte Werner,
Und verlegen nach dem Boden
Senkt’ sein Aug’ sich, – doch der Freiherr
Setzte lächelnd fort die Rede:
»Glaubt vielleicht, ich zieh’ Euch itzt zur
Rechenschaft und frag’, warum Ihr
Bei dem Schlosse musiziert habt?
Fehlgeschossen – dieses geht mich
Nichts an, auf dem Rhein ist freie
Birsch, und wer in frischer Märznacht
Sich trompetend einen Husten
Dort erjagen will, mag jagen.
Nein, ich wollt’ Euch fragen, ob’s Euch
Freud’ macht, oft noch hier am Rheine
So wie gestern eins zu blasen?
Doch mir scheint, daß ich mich irrte,
Und ich seh’, Ihr seid kein Spielmann.
Seid wohl gar so ein verdammter
Federfuchser, so ein Mann von
Einer fremden Ambassade,
Wie sie jetzt durchs Land kutschieren
Und verhunzen, was des Kriegsmanns
Säbel einstens gut gemacht hat.«
Auch nicht übel, dachte Werner,
Doch der alte Herr gefiel ihm.
»Bin kein Spielmann,« sprach er, »doch noch
Wen’ger einer von der Feder.
Meinethalben könnten in dem
Ganzen heil’gen röm’schen Reich die
Tintenfässer jäh vertrocknen.
Stehe auch in niemands Diensten,
Als mein eigner Herr und Meister
Reit ich durch die Welt zur Kurzweil
Und erwart’ vorerst, was für ein
Schicksal mir am Wege blühn wird.«
»Sehr vortrefflich,« sprach der Freiherr,
»Wenn das so steht, mögt Ihr wohl den
Weitern Teil der Rede hören.
Aber laßt sie uns mit einem
Trunke alten Weines würzen.«
Sprach’s; des Freiherrn Sinn erratend,
Schritt zum Keller Margareta,
Brachte zwei verstäubte Flaschen,
Die von Spinnweb überzogen
Halb im Sand vergraben lagen.
Brachte zwei geschliffne Becher
Und kredenzte sie den Männern.
»Dieser wuchs noch, eh’ der lange
Krieg im deutschen Land getobt hat,«
Sprach der Freiherr, – »’s ist ein alter
Auserlesner Wein von Grenzach.
Glänzend blinkt er im Pokale,
Schwer, gediegen, lauterm Gold gleich,
Und er haucht ein Düftlein, feiner
Als die feinste Blum’ im Treibhaus.
Angestoßen, Herr Trompeter!«
Hellauf klangen beide Becher.
Seinen leerend spann der Freiherr
Weiter nun des Wortes Faden:
»Seht, mein junger Freund, solang die
Welt steht, wird’ auch Menschen geben,
Die auf Steckenpferden reiten;
Der liebt Mystik und Askesis,
Jener altes Kirschenwasser.
Ein’ge suchen Altertümer,
Andre essen Maienkäfer,
Dritte machen schlechte Verse.
’s ist ein eigner Spaß, daß jeder
Das am liebsten treibt, wozu er
Just am wenigsten Beruf hat.
Und so reit’ auch ich mein Rößlein,
Und das Rößlein ist die edle
Musika, sie labt und stärkt mich.
Wie durch Davids Harfenspiel einst
König Saul den Kummer scheuchte,
So mit süßem Kling und Klange
Bann’ ich mir des Alters Schäden
Und des Zipperleins Rumor.
Wenn ich gar mit raschem Taktschlag
Ein Orchester dirigiere,
Mein’ ich oft, ich ritte wieder
An der Spitze der Schwadronen:
›Eingehauen, rechter Flügel!
Drauf, ihr scharfen Violinen!
Feuer aus den Kesselpauken!‹
Sind im Städtlein auch der tücht’gen
Spielleut’ viele, – zwar es mangelt
Ihnen fein’res Kunstgefühl und
Kennerblick, doch guter Wille
Läßt verzeihn der Fehler manchen.
Violin’ und Flöt’ und Bratsche,
Leidlich sind bestellt sie, ja der
Kontrabaß ist ganz vorzüglich.
Aber einer fehlt uns, – einer.
Und, mein Freund, was ist ein Feldherr
Ohne Ordonnanzen? was ist
Ohne Flügelmann die Schlachtreih’?
Das Orchester ohn’ Trompeter?
Einst war’s anders. Diese Mauern
Hörten ihn noch, den gewalt’gen
Braven Stabstrompeter Raßmann.
Ha, das war ein stolzes Blasen!
Raßmann, Raßmann, warum starbst du?
Heut noch seh’ ich ihn an seinem
Letzten Tage; ’s war das große
Schützenfest in Laufenburg.
Grimm gestrichen war der Schnurrbart,
Blank und strahlend die Trompete,
Seine Reiterstiefel glänzten
Wie ein Spiegel; – und ich lachte.
›Herr, ’s ist Ehrensache,‹ sprach er,
›Diese Schweizer sollen merken,
Was ein Stabstrompeter leistet.‹
Hell und lustig klangen drüben
Schützenhörner und Trompeten,
Doch wie Nachtigallenschlagen
Aus dem Chor der Waldessänger,
So aus allen klang herfür des
Stabstrompeters Raßmann Blasen.
Und ich traf ihn, roten Kopfes,
Atmend aus gepreßter Lunge.
›Herr, ’s ist Ehrensache,‹ sprach er
Und blies weiter; es verstummten
Die Trompeter aus dem Fricktal,
Die von Solothurn und Aarau
Vor dem Stabstrompeter Raßmann.
Wieder traf ich ihn, ’s war Abend.
Wie ein Riese unter Zwergen
Saß er in dem goldnen Schwanen,
In der andern Spielleut’ Schwarm.
Manchen großen Humpen tranken
Die Trompeter aus dem Fricktal,
Die von Solothurn und Aarau,
Doch der Humpen allergrößten
Trank der Stabstrompeter Raßmann.
Und mit schwerem Castelberger
(An der Aar bei Schinznach wächst er)
Ließ er die Trompete füllen.
›Herrrr, ’s ist Ehrensache,‹ sprach er,
Leerte sie mit einem Zug dann;
›Euer Wohl, ihr Herrn Kollegen!
So trinkt Stabstrompeter Raßmann.‹
Mitternacht war längst vorüber,
Unterm Tisch lag mancher schnarchend,
Aber festen Gangs und aufrecht
Schritt er heimwärts aus dem Städtlein.
An der Rheinbrück’ grüßt er’s spöttisch
Noch mit einem Schelmenlied,
Dann ein Fehltritt! – armer Raßmann!
Senkrecht stürzt’ er in die Tiefe,
Und des Rheins furchtbarer Strudel
Donnert schäumend übers Grab des
Brävsten aller Stabstrompeter.
Ha, das war ein stolzes Blasen!
Raßmann! Raßmann! warum starbst du?«
Schier gerührt erzählt’s der Freiherr,
Fuhr dann fort nach einer Pause:
»Junger Freund, und gestern abend
Klang’s vom Rhein herauf als wie ein
Geistergruß des Stabstrompeters.
Eine Fuge hört’ ich blasen,
Eine Fug’, ein Tongewebe
Wie aus Raßmanns besten Tagen.
Wenn wir die Trompete hätten,
Wär’ die Lück’ ergänzt, ich führte
Wiedrum ein komplett Orchester
Kommandierend in die Tonschlacht.
Drum ergeht an Euch mein Vorschlag:
Bleibt bei uns, – bei mir im Schlosse.
Lahmgeworden ist der Waldstadt
Musika, o blast ein neues
Leben in die Knochen ihr!«
Sinnend sprach zu ihm jung Werner:
»Edler Herr! der Vorschlag ehrt mich.
Doch ich heg’ ein schwer Bedenken.
Schlank und g’rad bin ich gewachsen
Und hab’ nicht gelernt, in fremdem
Dienst den Rücken krumm zu biegen.«
Sprach der Freiherr: »Darum macht Euch
Keine Sorg’; der freien Künste
Dienst krümmt keinem seinen Rücken.
Eignen Herzens Unverstand nur
Läßt aufs Aufrechtgehn verzichten.
Fern sei’s, mehr von Euch zu heischen,
Als ein lustig Musizieren;
Nur wenn Ihr in müß’gen Stunden
Mir ein Brieflein wollt verfassen
Oder kalkulieren helfen,
Dank ich’s Euch, Ihr wißt, ein alter
Kriegsmann führt die Feder schwer.«
Sprach’s. Noch schwankend stand jung Werner,
Doch ein Blick auf Margareta
Und des Zweifels Wolken schwanden.
»Edler Herr! ich bleibe,« sprach er,
»Sei am Rhein denn meine Heimat!«
»Brav so,« sprach der Alte freundlich,
»Frisch, im frischen Augenblicke
Faßt das Herz den besten Entschluß,
Und Bedenkzeit ist von Übel.
Angestoßen, Herr Trompeter!
Mit dem güldnen Wein von Grenzach
Und mit kräftig deutschem Handschlag
Laßt uns den Vertrag besiegeln.«
Wandt sich dann zu Margareta:
»Töchterlein, ich präsentier’ dir
Unsern neuen Hausgenossen.«
Und jung Werner neigte stumm sich
Stumm auch grüßt’ ihn Margareta.
»Jetzo folgt mir durch des Schlosses
Räume, junger Freund, ich werd’ Euch
Eure neue Wohnung zeigen.
Hab’ just in dem Erkerturm ein
Lustiges Trompeterstübchen,
Nach dem Rhein und nach den Bergen
Schaut es, und die Morgensonne
Weckt Euch früh dort aus den Träumen.
Fröhlich werdet Ihr dort nisten;
’s bläst sich gut aus freier Höh’.«
Aus dem Saal entschritten beide.
Aus dem Saal auch schritt des Freiherrn
Tochter; diese ging zum Garten.
Rosen brach sie und Aurikeln
Und viel duftige Levkoi’n.
Dacht’ dabei: Ob’s nicht dem jungen
Mann recht unbehaglich vorkommt,
In das fremde Haus zu ziehen?
Und das Erkerstübchen hat so
Glattgeweißte kahle Wände,
Wird viel schmucker aussehn, wenn ich
Einen großen Strauß hineinstell’!
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