Ïðî÷èòàíèé : 232
|
Òâîð÷³ñòü |
Á³îãðàô³ÿ |
Êðèòèêà
Der Trompeter von Säkkingen 9. Stück
Wind und Stromeswellen hatten
Claudio von Monteverdes
Tongebilde kaum verschlungen,
Da erhub sich in der Waldstadt
Schon kein anderes Gered’ mehr
Als von dieser Musica.
Aber nicht von Geist und Wesen
Der verklungnen Melodieen,
Nicht von ihrem süßen Nachhall
In den Tiefen der Gemüter
Sprachen sie; es ward gestritten,
Wem der Freiherr bei dem Schlusse
Allzuerst den Dank gespendet,
Wem der Abt die schönsten Worte
Für die Leistung ausgesprochen,
Und was dann aus Küch’ und Keller
Schließlich aufgetragen ward. –
Wie’s im Schweif der toten Eidechs
Spät noch krampfhaft zuckt und zittert,
Wenn das Leben schon entflohn ist,
So lebt der vergangnen Großtat
Spur noch in der Mitwelt Klatsch.
* * *
Doch profaner Flachheit ferne,
Wandelt Margareta einsam
In der Früh des andern Morgens
Zu der grünen Geißblattlaube,
Von den Tönen dort zu träumen
Und vorab von Werners Solo,
Das ihr noch die Seel’ durchschüttert
Wie ein leises Liebeswort.
Was erblickt sie? In der Laube
Auf dem braunen Rindentische
Lag ja die Trompete selber.
Gleich dem Zauberhorn des Hüon
Wundersam Geheimnis bergend,
Stumm – und doch so redemächtig,
Sternhell glänzend lag sie da.
Margareta stand betroffen
An der Laub’ verranktem Eingang:
»War er hier? und wohin ging er?
Warum läßt er die Trompete
So unachtsam preisgegeben?
Könnt’ ein Wurm sich drein verkriechen,
Könnt’ ein Dieb sie weiter tragen;
Ob ich wohl ins Schloß sie bringe
Zu fürsorglicherm Verwahren?
Nein, ich geh’ und laß sie liegen;
Sollte schon gegangen sein.«
– Und doch ging sie nicht, – ihr Auge
Blieb an der Trompete haften
Wie der Maifisch an der Angel.
Möcht’ doch wissen, dacht’ sie wieder,
Ob auch ich mit meinem Hauche
Einen Ton könnt drin erwecken,
Wissen möcht’ ich’s gar zu gern.
Niemand sieht, was ich beginne,
Ringsumher kein lebend Wesen,
Nur der Kater Hiddigeigei
Leckt den Morgentau vom Buchse,
Nur das Käfervolk im Sande
Treibt sein angeboren Wühlen,
Und die Raupen an der Laube
Kriechen ihren leisen Gang.
Also tritt sie ein, die Jungfrau,
Schüchtern nimmt sie die Trompete,
Preßt sie an die Rosenlippe,
Aber schier wie Schreck durchzuckt sie’s,
Da ihr Hauch im goldnen Tonkelch
Sich in lauten Schall verwandelt,
Den die Lüfte weiter tragen,
Weiter – ach wer weiß wohin?
Dennoch kann sie’s nimmer lassen.
Ungefüge Greueltöne,
Schneidend falsche Dissonanzen
Bläst sie in die Morgenstille,
Daß dem Kater Hiddigeigei
Sein angorisch langes Fellhaar
sich wie Igelstacheln aufsträubt,
Und das Ohr sich mit der Pfote
Sanft verhaltend sprach der Biedre:
»Dulde, tapfres Katerherze,
Das so vieles schon erduldet,
Duld’ auch dieser Jungfrau Blasen!
Wir, wir kennen die Gesetze,
Die dem alten Schöpfungsrätsel,
Die dem Schall zugrunde liegen,
Und wir kennen ihn, den Zauber,
Der unsichtbar durch den Raum schwebt,
Der ungreifbar wie ein Schemen
In die Gänge des Gehörs dringt
Und in Tier- – wie Menschenherzen –
Liebe, Sehnsucht und Entzücken,
Raserei und Wahnsinn auftürmt.
Und doch müssen wir erleben,
Daß, wenn unsre Katerliebe
Nächtlich süß in Tönen denkt,
Sie den Menschen Spott nur abringt,
Daß als Katzenmusica man
Unsre besten Werke brandmarkt.
Und doch müssen wir erleben,
Daß dieselben Menschenkinder
Solche Tön’ ins Dasein rufen,
Wie ich eben sie vernahm.
Solche Töne, sind sie nicht ein
Strauß von Nessel, Stroh und Dornen,
Drin die Distel stechend prangt?
Und kann angesichts des Fräuleins,
Das dort die Trompete handhabt,
Noch ein Mensch, ohn’ zu erröten,
Die Musik der Katzen schelten?
Aber dulde, tapfres Herze!
Duld’ – es werden Zeiten kommen,
Wo der Mensch, das weise Untier,
Uns die Mittel richt’gen Ausdrucks
Des Gefühls entleihen wird;
Wo die ganze Welt im Ringen
Nach dem Höhepunkt der Bildung
Katzenmusikalisch wird.
Denn gerecht ist die Geschichte,
Jede Unbill sühnet sie.« –
Doch noch außer Hiddigeigei
Ward von Margaretas ersten
Tonversuchen unten tief am
Strand des Rheins ein andrer mehr zu
Zorn gestimmt als zu Entzücken.
Werner war es. Er erging sich
Früh mit der Trompet’ im Garten,
Wollt’ ein Liedlein komponieren
In der Morgeneinsamkeit.
Erst doch legt’ er sein geliebtes
Schallzeug auf den Tisch der Laube,
Schaute sinnend in die Rheinflut
Von der Gartenmauerbrüstung.
’s ist doch, dacht’ er, immer noch der
Alte Zug in euch, ihr Wellen!
Nach dem Meere strebt ihr hastig,
Wie mein Herz nach seiner Liebe,
Und wer ist dem Ziele ferner,
Grüner Strom – du oder ich?
Solcherlei Gedankenrichtung
Unterbrach der Storch vom Turme,
Der anitzt zum ersten Male
Seine Brut am kühlen Rheinstrand
Vaterstolz spazieren führte.
’s war ergötzlich anzuschauen,
Wie die alterfahrnen Störche
In den Ufersand sich schlichen,
Einem Aale aufzulauern,
Der verschiedentlich Gewürme
Mit Behagen dort verschlang.
Aber er, der so das Standrecht
An der kleinen Tierwelt übte,
Sollte selbst bald Frühstück werden,
Denn der Große frißt den Kleinen,
Und der Größte frißt den Großen:
Also löst in der Natur sich
Einfach die soziale Frage.
Nichts mehr half ihm seine Glätte,
Nichts des fetten Leibs Geringel,
Nichts sein tiefgefühltes Schlagen
Mit dem ungeschuppten Schwanze:
Eingeklemmt im zahn’gen Schnabel
Des entschlossnen Storchenvaters
Ward er dessen hoffnungsvoller
Jugend vorgelegt zur Teilung,
Und sie hielten mit Geklapper
Würdig ihren Morgenschmaus.
Dieses sonderbare Treiben
In der Nähe zu betrachten,
Stieg jung Werner, dem’s mit seiner
Arbeit nicht gefährlich ernst war,
Aus dem Garten an den Rheinstrand.
Leise setzt er dort sich nieder
Auf der käfervollen Moosbank
Unterm Hang graugrüner Weiden,
Und es war ihm eine Lust, der
Storchlichen Familienfreuden
Stiller Zeuge dort zu sein.
Aber jegliches Ergötzen
Währt nur kurz auf unserm Sterne;
Selbst dem stillvergnügt’sten Manne
Wirft das Schicksal tückisch oft ’nen
Meteorstein in die Suppe.
Kaum versenkt in jenes Schauspiel,
Muß jung Werner Töne hören
Aus der eigenen Trompete,
Die ihm wie Pandurenmesser
Schartig in die Seele schneiden.
»’s ist der freche Gärtnerjunge,
Der sich meines Horns bemächtigt,«
Zürnt jung Werner und erhebt sich
So ergrimmt von seinem Moossitz,
Daß die Störche in der Nähe
Jählings auf dem Turme flattern,
Nicht einmal die Zeit sich nehmend,
Ihren Aal mit fortzutragen.
Als ein armer Torso blieb er
Kläglich dort am Strande liegen,
Und es schweigen die Chronisten,
Ob der kluge Storchenvater
Wieder kam, ihn nachzuholen.
Werner klimmt indes zum Garten,
Eilt zur grünen Gartenlaube
Auf den samtnen Rasenbeeten,
Daß der Kieselwege Dröhnen
Dort sein Kommen nicht verrate.
Denn auf frischer Tat erwischen
Will er den verwegnen Jungen
Und auf seines Rückens Breite
Zur Musik den Dreitakt schlagen.
Also tritt er in die Laube,
Zornvoll schon die Hand gehoben,
Aber wie gerührt vom Blitzstrahl
Sinkt sie an der Hüft’ ihm nieder,
Und der Faustschlag blieb, so wie die
Deutsche Einheit und manch andres,
Nur ein schön gedacht Projekt.
Margareten muß er schauen,
Die Trompete an den Lippen
Und die Wangen aufgeblasen
Wie der kleine holzgeschnitzte
Zierliche Posaunenengel
In der Kirche Fridolini.
Sie erschrickt als wie ein Strauchdieb,
Der in Nachbars Hof ertappt wird,
Die Trompete fällt ihr jählings
Von der Lippe blühndem Rand.
Werner mildert die Verwirrung
Durch ein feines Wortgewinde,
Und schulmeisterlich beginnt er
Der Trompetung Anfangsgründe
Regelrecht und ernst bemessen
Jetzt dem Fräulein darzutun,
Zeigt die Griffe, zeigt das Hauchrohr,
Und wie beides zu bemeistern,
Daß der rechte Ton sich aufschwingt.
Margareta horcht gelehrig,
Und eh’ sie’s versehn, erweckt ihr
Hauch schon wieder neue Klänge
Der Trompete, die jung Werner
Ihr, sich leicht verneigend, darreicht.
Spielend lehrt er sie, was einstmals
Ihres Vaters Kürassiere
In der Schlacht zum Angriff bliesen:
Nur ein paar unschwere Töne,
Aber markig und bedeutsam.
Liebe ist von allen Lehrern
Der geschwindeste auf Erden,
Was oft Jahre ehrnen Fleißes
Nicht erreichen, das gewinnt sie
Mit dem Zauber einer Bitte,
Mit der Mahnung eines Blicks;
Selbst ein niederländ’scher Grobschmied
Ist ja einstens durch die Liebe
Noch in vorgerückten Jahren
In berühmter Maler worden.
Glücklich Lehren – glücklich Lernen
In der grünen Geißblattlaube!
’s war, als stünd’ des deutschen Reiches
Letztes Heil auf dem Begreifen
Dieses alten Reiterliedes,
Und doch ging durch ihre Seelen
Ganz ’ne andre Melodie:
Jenes süße, schöpfungsalte
Lied der ersten jungen Liebe.
Zwar ein Lied noch ohne Worte,
Doch sie ahnten seinen Inhalt,
Und sie bargen unter Scherzen
Dieser Ahnung Seligkeit.
Von den Tönen angefochten,
Kam der Freiherr, Rundschau haltend,
Wollte zürnen, doch es wandelt
Bald der Grimm in heitre Lust sich,
Da sein Kind ihm die Fanfare
Seiner alten Reiter blies.
Heiter sprach er zu jung Werner:
»Ihr entfaltet ja in Eurem
Kunstberuf ’nen Feuereifer.
Wenn das so fortgeht, so können
Wir noch Wunderding’ erleben:
Selbst die Stalltür, die im Zugwind
Unmelodisch knarrt und stöhnet,
Selbst die Frösch’ im Wiesenteiche
Werden noch am End’ von Eures
Blasens Allgewalt bekehrt.«
Werner aber hielt hinfüro
Die Trompete für ein Kleinod,
Das der reichste Basler Kaufherr
Mit dem schwersten Basler Geldsack
Nicht vermöcht’ ihm abzukaufen:
Hatten Margaretas Lippen
Ja die Strahlende berührt!
|
|