Ïðî÷èòàíèé : 128
|
Òâîð÷³ñòü |
Á³îãðàô³ÿ |
Êðèòèêà
Hunger
Am besten wird gegessen in der Welt
In Hamburg, diesem edlen Beefsteakhorte,
Und hier, doch selten ohne vieles Geld,
Ganz ausgezeichnet, in der Tat, bei Pfordte.
In »Wilken’s Keller«, wenn es euch gefällt,
So hießen früher jene Schlemmerworte.
»Mais à Paris?...« Mais oui... »Café Anglais...«
Nein, Pfordte nur, entscheid ich als Gourmet.
Ja, wär’ so kund und weitberühmt mein Name,
Den stolz Herr Pfordte trägt, ich wär’ zufrieden.
Von Zungen viel fliegt aus der wonnesame,
Wie einst Homer ihn streute dem Peliden.
Ist das nicht größte Trommel und Reklame,
So kann ich wahrlich bessere nicht schmieden.
Liest Pfordte diese kleine Rhapsodie,
Er schickt mir gleich zwei Flaschen Pommery.
Ah, Pommery, du der Champagner Krone,
Von allen Sorten lieb ich dich zumeist.
Du wunderbarer, stiller Cicerone,
In welche Himmel führst du meinen Geist.
Durch dich vergeß ich alle Erdenfrone,
Hast du mich sanft dem grauen Tag entgleist;
Zwar bleibt verschieden immer der Geschmack,
Der liebt die Witwe, jener Silberlack.
Jüngst saßen hier in kleiner Tafelrunde
Ein Sportsman, ein Verleger und zwei Dichter,
Und Pfordtes Lob erklang in aller Munde,
Der Sportsman selbst ließ fort den Splitterrichter.
Als Säckelmeister, was ich gern bekunde,
Hielt sich der Herr Verleger als Verpflichter.
»Das läßt tief blicken«, wie das Sprüchlein spinnt,
Wenn ein Verleger solche Scherze sinnt.
Die beiden Dichter waren seine Kinder,
Und diese Kinder machten ihm Vergnügen,
Zwar war der eine von den beiden minder
Berühmt, noch will sein Bücherpflug nicht pflügen
Im Vaterland, kein rechter Kundenfinder,
Der andre aber fliegt in Adlerflügen,
Und dankbar zu ihm auf schaut die Nation,
Denn was er singt, singt er im Meisterton.
Wer ist ein Dichter? Mancher ist es wohl,
Der durch sein Leben keinen Vers geschrieben,
Der Deutsche zwar, und säß’ er auch am Pol,
Muß reimen selbst bei Bier und Kegelschieben;
Und viele, greulich ist ihr Strophenkohl,
Sind Stümper stets trotz Lorbeerkranz geblieben.
O Muse, trage nicht so hoch den Nacken,
Du hast im Stall zu viel der lahmen Kracken.
Verzeihung, daß ich absprang vom Diner.
Die Kerzen flimmern, und es herrscht die Stimmung,
Die so behagliche, die beim Kaffee
Geplauder durch Zigarrendampfverschwimmung
Hinflattern läßt zu sattem Evoë,
Fern jeder höheren Gesprächserklimmung.
Der eine von den Herrn genießt die Pracht,
Vom offnen Fenster aus, der schwülen Nacht.
Noch immer klingelt fort die Pferdebahn,
Noch immer hat die Droschke Appetit,
Und unten mascht sich weiter der Roman
Von jedem Menschen, der vorüberzieht,
Dem wohler wäre, wenn der Fibelhahn
Ihm schon gekräht des Lebens letztes Lied.
Ein träges Wölkchen, das sich Sterne harkt,
Betupft das Glühlicht auf dem Rathausmarkt.
Der Rathausmarkt ist Hamburgs schönster Platz.
Die Börse, dieser Engelssitz, liegt dort.
Des großen Götzen Schritt, des Nimmersatts,
Dröhnt Tag für Tag durch ihre Hallen fort.
Als Zwanzigmarkstück schlägt hier selbst dem Spatz
Das Herzchen, zirpt er auf dem Gnadenhort.
>Am Rathausmarkt auch, sanft wie Himmelssegen,
Ist Pfordtes Sybaritenhaus gelegen.
Wer biegt aus jener Straße her... nein da...
Wo just der Offizier vorbeigegangen -
Nun bleibt er stehn... am Laden dort... holla...
Es könnte jedem vor dem Antlitz bangen.
Sprühn seine Lippen ein Anathema?
Was will der wüste Kerl sich unterfangen?
Er drängt auf Pfordtes Haus die Nackensehnen,
Und sieht den Herrn am offnen Fenster lehnen.
Und drohend ballt sich seine Faust nach oben,
Die Nägel scheinen sich ins Fleisch zu graben.
Sein Kalabreser, auf die Stirn geschoben,
Umrahmt die blassen Züge eines Knaben,
In denen Wogengang und Stürme toben,
Und gräßlich Strandgut ihren Küsten gaben:
»Du Schurke, du, ich hungre seit vier Tagen,
Du füllst dir mit Kapaun und Sekt den Magen.«
Am Fenster jener zittert und erbleicht,
Und weiß im Augenblick kein Wort zu finden,
Und ist im tiefsten Innersten erweicht,
Und kann das regste Mitleid nur empfinden.
Dann hat er Ruhe wieder bald erreicht,
Und läßt nach unten seine Worte binden:
»Ich komme, warte, wo du stehst, am Laden,
Und sprachst du wahr, dann ist es dir kein Schaden.«
Doch unten ist der Schmerzenreich verschwunden,
Am Laden ist die Stelle stumm und leer,
Und niemand kann den fremden Mann bekunden,
Und wo er schwand im großen Menschenmeer.
Und jener hat den Kläger nicht gefunden,
Lief er auch alle Straßen kreuz und quer.
Bis er vom Suchen müde niedersank
Am Alsterdamm auf eine Gartenbank.
Verworren brodelt her das Stadtgebrause,
Die kleinen Dampfer kreuzen durchs Bassin.
Beendet ist auf Uhlenhorst die Pause,
Und klar herüber klingt Doux entretien.
Die Vorstadt jubelt noch der Narrenkrause,
Im Tingeltangel und dem Harlekin.
Und eine Stimme, schwer und vorwurfsgroß,
Ringt sich wie mühsam aus den Wassern los:
»Wißt ihr, was Hunger ist? Ihr wißt es nicht,
Denn was ihr Hunger nennt, ist nur ein Sporn,
Auf den durch Jagd und Bad ihr seid erpicht,
Ihn künstlich scharf zu schleifen, ist ein Dorn,
Der sanft das fette Eingeweide sticht,
Ein scheinheilig Gefühl, ist Bühnenzorn.
Euch ist der Hunger leichtverzäunte Szene,
Und lachend beißen fort sie eure Zähne.
Ich hungre heut den vierten langen Tag,
Und bin auf Nahrung nun nicht mehr versessen,
Im Ohre klingt es mir wie Wellenschlag,
Mich hat die Welt, und ich hab sie vergessen.
Sauft nur und praßt auf eurem Zechgelag,
Was kümmert euer Schlemmen mich und Fressen.
Ein Sprung hat bald dem Leben mich entfernt,
Das Betteln hab ich nicht zu Haus gelernt.«
Die Welle tuschelt mit dem Sternenheer,
Spült Schaum heran und spielt mit ihm am Strand.
Herr Gott, seht, seht, kommt Leute, Hülfe her,
Dort liegt ein angeschwemmter Mensch im Sand.
Und aus den Wassern hoben wir ihn schwer,
Und keinem ist der stille Mann bekannt.
Grub dieser blassen, feinen Stirn, dem Dulder,
Das Kainsmal der eigene Verschulder?
|
|