Ïðî÷èòàíèé : 138
|
Òâîð÷³ñòü |
Á³îãðàô³ÿ |
Êðèòèêà
Der verlorene Sohn
Mein Mütterlein, zu dieser Stund',
Zu dieser Stund' in tiefer Nacht
Bist du aus leisem, kurzem Schlaf
Wohl jählings, jählings aufgewacht!
Du fährst empor und starrst und horchst;
Und eine bange Ahnung schwirrt
Dir durch die angstumschnürte Brust:
Daß ruhelos dein Kind noch irrt ...
Noch irrt auf fernem, fremden Pfad,
Noch irrt in später, schwarzer Nacht
Du aber weißt nicht seine Spur,
Weißt nicht, was es so ruhlos macht ...
Weißt nur, daß es aus dieser Not
Die Mutterliebe einzig risse,
Und möchtest wohl es suchen gehn
Durch schwarze, schwarze Finsternisse ...
Mein Mütterlein, dein armes Kind,
Es sucht dich nicht in seinen Aengsten,
Es taumelt durch die Nebelnacht,
Geschleift von seines Dämons Hengsten.
Hei! Wie es brennt in seiner Brust!
Wie schnürt's die Kehle ihm zusammen!
O Mutter, deine milde Hand
Beschwor mir nicht die Wahnsinnsflammen.
Mein Mütterlein, laß ab, laß ab!
Das du in Schmerzen einst geboren,
Dein Kind, du hast es einmal doch
An diesem Tage ach, verloren!
Es fragt nichts mehr nach deiner Lust
Es fragt nichts mehr nach deinem Kummer,
An seiner Leidenschaft Brust
Erwürgt es deiner Nächte Schlummer ...
Mein Mütterlein, wenn's dich verzehrt,
Daß du dein Kind hast lassen müssen,
Dann ruh dich auf der Bahre aus
Von deines Lebens Kümmernissen ...
Dann schließ die müden Augen zu,
Die oft um mich in Tränen lagen
Dann laß zur allerletzten Ruh'
Dich heimlich auf den Kirchhof tragen ...
Vielleicht bin ich des Wanderns müd,
Und ist die Unrast all' verlodert
Vielleicht, daß dann mein Schicksal mich
Dort rasten läßt, wo du vermodert ...
Dann sind wir beide ganz allein,
Und unsre Liebe darf nicht säumen
Dann will ich meines Lebens Traum
Mit dir noch einmal still durchträumen.
Dann will ich alles dir gestehn
Wie Schuld auf Schuld sich lud, dir sagen
Dann will ich mit dir heimwärts gehn
Zu meines Lebens ersten Tagen ...
Mein totes Mütterlein, dann gibt
Es nichts, was dir verborgen bliebe
Dann weißt du, wie ich dich geliebt
Und doch verraten deine Liebe!
Dann weißt du, wie es plötzlich mich
Mit heißem Atem angepfiffen
Wie es in meine Seele schlug,
Das Feuer, dampfend, unbegriffen
Wie es versengend mich gepackt,
Mich weggespült von deinem Herzen:
Ich schoß, ein Glutenkatarakt,
Ins Tal der Wonnen und der Schmerzen.
Mein Leben troff von Duft einmal
Vom Duft der Rosen und Narzissen ...
Mein Denken war ein Morgenstrahl,
Entbrochen schwarzen Finsternissen
Ich lebte! O mein Mütterlein
Und riß, umsprüht von Freudenfunken,
Die Sphären an mein Bruderherz,
Von Weltenmelodien trunken ...
An ihrem Leib bin ich zerschellt
Und all mein Denken ist verpestet
So irr' ich ruhlos durch die Welt,
Ein Narr, verzweiflungsqualgemästet ...
Nicht grünt mein müder Wanderstab
Ein zweites Mal zur Sündensühne
Kein Gott nimmt meine Reue ab
Und hebt von mir der Schuld Lawine.
Aus weißem Kelch den gelben Wein
Goß ich ins rote Blut der Wunden
Nur einmal wollt' ich stille sein,
Nur einmal von der Schmach gesunden!
Die aber preßt mich fest und läßt
Mich nicht aus ihren erznen Krallen
Von Blut und Kot und Schweiß genäßt,
Schleif' ich durchs Leben, fluchverfallen ...
Ja, Mutter, stirb! Und bist du tot,
Dann wollen wir, ein seltsam Pärchen,
Vom Abend- bis zum Morgenrot
Eins plaudern von dem tollen Märchen,
Dem mich das Schicksal auserwählt,
Mich brav – recht brav drin auszuleben
Und hab' ich's dir dann auserzählt,
Hast du auch schweigend mir vergeben ...
Dann reck' ich hoch mein Haupt empor
Und bei des Tages ersten Grüßen
Schmeiß' ich den eklen Erdenstaub
Von meinen wandermüden Füßen ...
Es fliegt der Filz ins feuchte Gras,
Ich rüste mich zum letzten Traume
Zerbreche meinen Knotenstock
Und häng' mich auf am nächsten Baume ...
|
|